Wahl in Großbritannien: Labour wischt die Tories weg, aber von Stabilität kann keine Rede sein


Die Konservativen sind eingebrochen, Labour hat sich verdoppelt, der Rechtspopulist Farage ist beim achten Versuch ins britische Unterhaus eingezogen. Trotz des deutlichen Wahlsiegs für Keir Starmer ist diese Wahl kein Zeichen von Stabilität.

Wahlsysteme nach dem Mehrheitswahlrecht sollen für klare Mehrheiten sorgen. Sie sollen kleine, radikale Parteien aus dem Parlament heraushalten und insgesamt den Rahmen für ein gemäßigtes politisches Klima schaffen. Spätestens nach dieser Unterhauswahl kann man sagen: Das britische Wahlsystem hat seine Vorteile eingebüßt.

Von einer gemäßigten Politik kann in Großbritannien schon seit Jahren keine Rede mehr sein. Der Brexit hat das Land polarisiert und einen Populismus in die Politik gespült, der Stabilität kaum mehr zulässt. Klare Mehrheiten gibt es jetzt zwar: Labour ist eindeutiger Wahlsieger, Parteichef Keir Starmer wird neuer Premierminister. Aber die Sozialdemokraten haben die Wahl nicht gewonnen, weil sie die Wähler überzeugt hätten. Sondern weil die Briten die Nase gestrichen voll hatten von ihrer unfähigen Tory-Regierung.

Auch die Zersplitterung der Parteienlandschaft geht weiter. Die Rechtspopulisten der Reform-Partei unter dem Brexit-Ideologen Nigel Farage haben ihre ersten Sitze im Unterhaus erobert – auch Farage selbst hat es geschafft, im achten Anlauf. Schon bisher saßen im britischen Unterhaus deutlich mehr Parteien als im Deutschen Bundestag, was vor allem an den zahlreichen Regionalparteien lag. Jetzt kommt eine radikale Partei dazu, die derzeit zwar noch klein ist, die aber das Potenzial hat, größer zu werden.

Nachdem er seinen Wahlkreis gewonnen hatte, sagte Farage, bei der nächsten Wahl 2029 wolle seine Partei als echter Herausforderer antreten. Es sei doch interessant, dass es für Labour und Starmer keinerlei Enthusiasmus gebe. Die Hälfte der Stimmen habe sich lediglich gegen die Konservativen gerichtet. Da muss man ihm recht geben. “Diese Labour-Regierung wird sehr, sehr schnell Probleme bekommen”, sagte Farage voraus. Das ist nicht nur die für ihn typische Großsprecherei. Die Prophezeiung könnte sich als richtig erweisen.

Farage sagte, seine Partei wolle nun Labour die Stimmen “abjagen”. Er wolle eine “nationale Massenbewegung” aufbauen. Die Idee dahinter: Wenn Labour scheitert, was angesichts der zahlreichen Probleme, die ihnen von den Konservativen hinterlassen wurden, alles andere als unwahrscheinlich ist, dann bietet sich Farage als Alternative an. Trotz des Labour-Wahlerfolgs und trotz des Mehrheitswahlrechts droht damit auch Großbritannien der Aufstieg einer nationalistischen Partei. Überraschend ist das nicht: Schon das Brexit-Referendum war ein massiver Erfolg des Rechtspopulismus.

Labours Wahlsieg ist kein Ausdruck von politischer Stärke. Zwar ist der Umschwung von 2019 zu heute historisch. Die Konservativen sind mehr als halbiert. Labour kann die Zahl seiner Sitze verdoppeln, der Wahlsieg hat die Größenordnung von Tony Blairs Amtsantritt im Jahr 1997. Aber da dürften die Parallelen zu früheren Zeiten enden. Bei den nächsten Wahlen ist ein neuer Umschwung möglich. Die Stabilität dürfte Geschichte sein.



Author: RoteRuhrarmee1920

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