TV-Debatte zwischen Trump und Biden: „Trump wird stören“


Herr Professor, was erwarten Sie heute Nacht?

Es könnte eine etwas konfuse Debatte werden. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Trump – das wissen wir aus den Debatten mit Hillary Clinton – dazu neigt, störend einzugreifen. Zum anderen weiß man bei Biden nie genau, wie seine Konzentrationsfähigkeit gerade aussieht. Von daher erwarte ich mir inhaltlich nicht besonders viel.

Aber kommt das Format – keine Zuschauer, das Mikrofon des Nicht-Antwortenden wird abgestellt – Trump nicht entgegen, weil man als Zuschauer seine möglichen Ausfälle gar nicht mitbekommt?

Er hat ja durch Zwischenreden gestört und dadurch, dass er sich immer bewegt hat, Hillary Clinton sichtbar aus dem Konzept gebracht. Er wird schon Möglichkeiten finden, Biden irgendwie zu stören.

Was halten sie denn von diesem eher sterilen Format?

Das hat auch Vorteile – vor allem für Biden. Wenn er nicht gut drauf ist, wirkt es noch verstärkend, wenn Publikum dabei ist. Früher war es immer so, dass diejenigen, die am besten mit Menschen umgehen konnten, Vorteile davon hatten, wenn Publikum dabei war. Denken Sie an Bill Clinton gegen George Bush. Da sah man sehr deutlich, dass Clinton es famos schaffte, auf den emotionalen Bedürfnissen seiner Zuschauer zu spielen und das vor allem auch im Zusammenwirken mit den anwesenden Zuschauern gemacht hat. Biden ist eher nicht der Typ, der das kann. Für Trump wäre es vielleicht wirklich besser gewesen, wenn ein paar seiner Hardcore-Anhänger mit drin gesessen hätten.

Michael Hochgeschwender ist Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte, Empirische Kulturforschung und Kulturanthropologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München
Michael Hochgeschwender ist Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte, Empirische Kulturforschung und Kulturanthropologie an der Ludwig-Maximilians-Universität Münchenprivat

Haben solche Debatten – auch historisch gesehen – denn überhaupt einen Einfluss auf die Wahlentscheidung?

Sie haben einen begrenzten Einfluss auf bislang unentschiedene Wähler. Oft bestärken Debatten die Menschen nur in dem, was sie sowieso schon geglaubt haben. Man muss es aber immer in den Kontext des gesamten Wahlkampfs stellen. Es gibt diese „turning point moments“. Als Bush damals verstohlen auf seine Uhr blickte, hat Clinton das im Zusammenspiel mit dem Publikum sofort ausgenutzt, um sich als der mitfühlendere Kandidat darzustellen. Man weiß auch, dass die Debatte Nixon gegen Kennedy 1964 zumindest bei den Fernsehzuschauern eine gewisse Rolle gespielt hat – allerdings nicht bei den Radiohöhrern. Auch Ronald Reagan hat es 1984 geschafft, zu einem Zeitpunkt, als er im Wahlkampf ein wenig im Hintertreffen war, weil sein Alter eine Rolle spielte, durch sehr gekonnt eingesetzte Ironie, dieser Kampagne den Wind aus den Segeln zu nehmen.

An sich wäre das die Chance von Biden. Er ist vermutlich im Blickwinkel vieler Zuschauer der „underdog“, weil sie davon ausgehen, dass Trump das relativ souverän beherrscht in einem solchen Setting, selbst wenn keine Zuschauer dabei sind. Insofern hat Trump mehr zu verlieren. Es kommt sehr darauf an, wie Biden von seinen Beratern vorbereitet wird.

Sie haben das Thema Alter schon erwähnt, wird das auch heute zur Sprache kommen?

Ja, das spielt für beide Kandidaten eine Rolle. Trump ist jetzt auch nicht mehr der Allerjüngste, wirkt eigentlich nur etwas frischer. Bei Biden hat man öfter den Eindruck, dass er Aussetzer hat, dass er sich körperlich schwer bewegt. Manches wird zwar von den Medien etwas übertrieben dargestellt, aber er wirkt schon alt, da kommt man nicht drumherum. Wenn Trump halbwegs schlau ist, wird er diese Karte spielen und Biden muss sehen, wie er darauf reagiert. Wenn ihm so ein Coup gelingt wie damals Ronald Reagan, wäre das Thema vom Tisch. Aber er ist geistig nicht so präsent, wie Reagan es 1984 war.

Die Wahl ist noch mehr als vier Monate entfernt. Warum ist diese Debatte jetzt im Vergleich zu vergangenen Wahlkämpfen so früh?

Das ist schwer zu sagen. Vielleicht haben beide Seiten Angst davor, dass in der Debatte etwas passieren kann, was den Wahlkampf, der ja sorgfältig geplant wird, am Ende noch stören könnte. Jetzt hat man noch Zeit, eventuelle Negativimpulse aufzuarbeiten.

Vor allem steht Biden unter Zugzwang. Wenn man sich die Umfragen in den Swing States ansieht, ist das nicht besonders berauschend. Und auch, was die Kongresswahlen angeht, sind die Umfragen momentan nicht gut für die Demokraten. Da muss jetzt irgendwas passieren.

Was ist das Ziel der beiden Kandidaten, was wollen sie erreichen?

Sich zu profilieren. Es wird ganz stark auf eine persönliche Konfrontation zwischen Trump und Biden hinauslaufen. Außerdem werden beide versuchen, ihre Lager hinter sich zu sammeln. Das hat Trump weniger nötig als Biden, weil er eine unglaublich große Anzahl sehr treuer Anhänger hinter sich stehen hat. Bei ihm kommt es eher darauf an, zu zeigen: „Ich bin der Größte“.

Für Biden ist es wichtig, die Zweifler in der Demokratischen Partei ruhigzustellen. Die werden sich nicht ganz beruhigen lassen aber bei einem guten Auftritt kann er immerhin sagen: „Schaut, ich bin ihm gewachsen.“ Wenn er einen schlechten Auftritt hat, könnte das ziemlich desaströs werden.

Dass sich die Stimmen mehren, die fordern, auf dem Parteitag einen anderen Kandidaten zu bestimmen. Das wäre nicht klug aber ist nicht völlig ausgeschlossen. Er muss die parteiinternen Kritiker so ruhigstellen, dass er einen Wahlkampf gegen Trump führen kann und ihn nicht in der eigenen Partei führen muss.

Auf welche Themen werden Sie besonders achten?

Früher wurden die Themen fein säuberlich in Außenpolitik, Innenpolitik, Wirtschaftspolitik, Verschiedenes getrennt. Das macht man heute in der Form nicht mehr. Außenpolitik wird eine Rolle spielen, schon wegen Trumps Verhältnis zu Putin. Biden wäre gut beraten, darauf ein bisschen herumzureiten.

Die Migrationsfrage wird eine zentrale Rolle spielen. Biden hat in den letzten Wochen versucht, etwas schärfer aufzutreten, schleppt aber jetzt den Ballast von drei Jahren mit sich herum. Da ist relativ wenig geschehen, was die andere Seite zufriedenstellen könnte.

Ich kann mir vorstellen, dass die Abtreibungsfrage wieder eine Rolle spielen wird. Auch wenn es schon Abstimmungen in den Bundessstaaten gegeben hat, die gezeigt haben, dass die Aufhebung von Roe v. Wade [das bundesweite Recht auf Abtreibung; Anm. d. Red.] nicht überall die Folgen hat, die befürchtet wurden.

Und natürlich wird die Wirtschaftssituation zur Sprache kommen.

Ist es Ihrer Meinung nach richtig, den unabhängigen Kandidaten Robert Kennedy auszuschließen?

Zumindest ist es kein freundlicher Akt. Kennedy kommt zwar in einigen Staaten auf Umfragewerte von neun bis zehn Prozent – manche sprechen sogar von noch höheren Werten –, aber es ist schwer einzuschätzen, ob das auch bundesweit der Fall ist. Trotzdem wäre es meiner Meinung zumindest ein Akt der Freundlichkeit gewesen, ihn einzuladen.

Für Biden wäre es damit wahrscheinlich noch schwieriger geworden. Für Trump wiederum hätte sich das Problem gestellt, dass da jemand wäre, der ihm nicht ganz unähnlich ist, in der Art und Weise, wie er diskutiert. Trump hätte sich dann nicht so profilieren können. Von daher gab es auf beiden Seiten vermutlich Gründe zu sagen: „Wir wollen ihn nicht dabei haben.“

Die zweite Debatte ist für den September geplant. Wird die stattfinden oder werden beide Parteien die nach dem ersten Aufeinandertreffen absagen?

Das bleibt abzuwarten. Es kommt darauf an, welche Schlussfolgerungen die Parteien ziehen. Ob sie sagen „Das kann uns noch was bringen“ oder nicht. Man müsste dann aber einen guten Grund haben. Der wird sich sicherlich finden lassen, aber es darf nicht der Eindruck entstehen, einer der beiden Kandidaten kneift den Schwanz ein. Wenn es nicht schon in der ersten Debatte einen Punkt gibt, bei dem man hinterher sagen kann „Das war so furchtbar, wir wollen keine zweite Debatte“, wird man wohl oder übel zu einer zweiten Debatte antreten müssen. Und die wird vermutlich nicht viel besser werden als die Erste.



Author: RoteRuhrarmee1920

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