Strafrecht: So wollen Unionspolitiker Gewalttäter und Gruppenvergewaltiger härter bestrafen


Die Rechtspolitiker der Unionsfraktion möchten das Strafrecht und Zivilrecht an mehreren Stellen verschärfen, um insbesondere Frauen besser vor Gewalttaten zu schützen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat der rechtspolitische Sprecher, Günter Krings (CDU), erarbeitet. Er soll in den kommenden Wochen in den Bundestag eingebracht werden und liegt WELT vor.

Demnach sollen bestimmte Tötungs-, Körperverletzungs- und Sexualdelikte künftig schärfer bestraft werden können. Außerdem soll der Einsatz einer elektronischen Fußfessel für Gewalttäter bundesweit einheitlich geregelt werden. Bislang können Gewalttäter, die mit einem Kontaktverbot belegt werden, nur in einigen Bundesländern mithilfe einer Fußfessel elektronisch überwacht werden. Rechtliche Probleme gibt es, wenn sie in ein anderes Bundesland reisen.

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Man erlebe „eine dramatische Zunahme von familiärer und häuslicher Gewalt“, sagte Krings mit Blick auf das gerade veröffentlichte Lagebild „Häusliche Gewalt“ für das Jahr 2023. Es sei „unerträglich, dass 155 Frauen im Jahr 2023 durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet worden sind.“ Die Polizeiliche Kriminalstatistik bestätige zudem die Wahrnehmung, dass die Gewaltkriminalität insgesamt deutlich ansteige. „Die zunehmende Verrohung unserer Gesellschaft ist alarmierend.“ Dies dürfe die Politik, so Krings „nicht länger hinnehmen“.

Ein weitreichender Vorschlag betrifft die Verschärfung des Mordparagrafen. Bislang gilt die Tötung eines Menschen nur dann als Mord, wenn bestimmte Mordmerkmale erfüllt sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Täter „heimtückisch“ oder „grausam“ handelt.

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Der Gesetzentwurf schlägt nun eine Erweiterung vor. Künftig soll auch dann als Mörder gelten, wer sein Opfer „unter Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ tötet. Es gelte zu Recht „als besonders verwerflich, niederträchtig und feige, sich an einem Schwachen, Hilflosen, Wehrlosen zu vergreifen“, heißt es in der Begründung. Im Strafrecht komme dies bereits stellenweise zum Ausdruck. „Bisher wird dieser Aspekt jedoch gerade nicht bei Mord, beim schweren Raub und der gefährlichen Körperverletzung berücksichtigt.“

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Diese Rechtslage führt demnach zu fragwürdigen Situationen. So stelle die Tötung eines gefesselten und wehrlosen Opfers für sich genommen keinen Mord dar. Gleiches treffe auf die Tötung von wehrlosen Säuglingen zu. Femizide, bei dem ein körperlich überlegene Mann seine Partnerin tötet, würden oft als Totschlag geahndet, weil klassische Mordmerkmale fehlten, heißt es aus der Union. Auch beim schweren Raub und der gefährlichen Körperverletzung werde der Aspekt der Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit bisher nicht berücksichtigt. „Entsprechende Änderungen sollen vorgenommen werden.“

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Für die Strafdauer ist das relevant. Im Gegensatz zum Totschlag wird Mord zwingend mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Unter Umständen kann die Strafe nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. „Schwerer Raub“ geht mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren einher, im Gegensatz zum „Raub“, für den die Mindeststrafe ein Jahr lautet.

Die Unionsrechtspolitiker schlagen zudem vor, den Strafrahmen für Gruppenvergewaltigungen zu erhöhen. Bislang wird eine gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung mit mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Künftig sollen bei gemeinschaftlich begangenen Nötigungen mindestens drei Jahre drohen, bei Gruppenvergewaltigungen mindestens fünf.

Körperverletzungen, die mittels einer Waffe oder eines Messers begangen werden, sollen künftig als Verbrechen geahndet werden. In diesem Fall droht eine Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren. Bislang gilt hier ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren. Außerdem sind unter anderem Strafverschärfungen bei Nachstellungen vorgesehen.

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Es fehle ihm jedes Verständnis dafür, dass die Bundesregierung beim Thema Gewalttaten bislang abtauche, beklagt Krings. „Weder Justizminister Buschmann noch Innenministerin Faeser haben hierzu eigene brauchbare Vorschläge gemacht. Wer nur nebulöse Ankündigungen oder wohlfeile Appelle an die Gerichte formuliert, nimmt das Leid der Opfer offenbar nicht wirklich ernst.“ Der Unionsfraktion hingegen gehe es um, „den Schutz der Betroffenen und das Vertrauen in den schützenden und strafenden Rechtsstaat“, so Krings. „Nur mit konsequentem Handeln kann es auch gelingen, radikalen politischen Kräften erfolgreich die Stirn zu bieten.“

Anwaltverein will niedrigere Mindeststrafe für Mord

Die vorgeschlagenen Änderungen dürften zu Kontroversen führen – insbesondere, was den Mordparagrafen betrifft. Auf der einen Seite sehen Experten und Politiker schon länger eine gewisse Geschlechterungerechtigkeit im Strafgesetzbuch.

Als Paradebeispiel gilt der „Haustyrannenmord“: Eine körperlich unterlegene Frau, die über Jahre von ihrem Partner misshandelt wird, tötet in ihrer Verzweiflung ihren Mann im Schlaf. Weil sie ihn „heimtückisch“ umbrachte, sind die Voraussetzungen für einen Mord erfüllt. Hätte aber der Mann seine Frau unter Ausnutzung seiner körperlichen Überlegenheit im Streit umgebracht, wäre die Tat wohl nur als Totschlag zu werten. „Der Mordparagraf benachteiligt Frauen“, meinte schon 2014 der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in der „Stuttgarter Zeitung“. Eine Änderung, wie sie die Rechtspolitiker der Unionsfraktion nun vorschlagen, könnte hier für mehr Gerechtigkeit sorgen.

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Andererseits gab es zuletzt eher Vorschläge, das Strafrecht zu liberalisieren und nicht zu verschärfen. Im Herbst plädierte etwa der Deutsche Anwaltverein (DAV) dafür, die Tötungsdelikte insgesamt zu reformieren. Ist der Täter allein für die Tat verantwortlich, sollen die Voraussetzungen für Mord vorliegen; trägt auch das Opfer eine Mitschuld am Konflikt, ist von einem Totschlag auszugehen. Auch das Strafmaß solle angepasst werden. Mord soll laut DAV nicht mehr zwingend mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden, stattdessen nur noch mit mindestens zehn Jahren – wie etwa in Fällen von „Haustyrannenmord“.

Bundesjustizminister Heiko Buschmann (FDP) schlug zuletzt vor, den Mordparagrafen sprachlich zu modernisieren, da die Vorstellung vom „Mörder“ als bestimmtem Typ Mensch veraltet sei. Inhaltliche Änderungen seien aber nicht vorgesehen. Die Festlegung der Mordmerkmale stammt noch aus den 40er-Jahren. Sie waren immer wieder Gegenstand von Kritik, haben aber weiter Bestand.



Author: RoteRuhrarmee1920

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