Scholz nach Wahlschlappe kämpferisch – Politik


In einer ungewohnt kämpferischen Rede hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag dazu aufgerufen, die Demokratie in Deutschland und Europa zu verteidigen, und das Ergebnis der Europawahl mit starken Zugewinnen für rechtspopulistische Kräfte als „Einschnitt“ bezeichnet. Es stelle eine „Gefahr für Demokratie und Zusammenhalt dar“, wenn Bürgerinnen und Bürger gegeneinander aufgebracht würden. „Wir müssen dafür sorgen, dass Zuversicht wieder wächst“, sagte Scholz. Dies werde nicht durch einen „Wettbewerb mit den Populisten“ erreicht, vielmehr seien „Antworten in der Sache“ nötig.

Die Ampel ringt um den Haushalt – für Scholz zeigt das ihre Handlungsfähigkeit

„Die Zeiten sind ernst. Viel zu ernst für Scheinlösungen und Slogans“, sagte Scholz. Als Beispiel nannte er den Kampf gegen die irreguläre Migration. So sei die Zahl der Asylbewerber in den ersten Monaten des Jahres um 18 Prozent gesunken. Scholz kündigte ein verstärktes Vorgehen gegen Sozialbetrug wie etwa Schwarzarbeit von Bürgergeldempfängern an. Das Ringen der Ampelkoalitionäre um einen Haushalt für das kommende Jahr beschrieb Scholz zur Erheiterung der Opposition als Beleg für die Handlungsfähigkeit seiner Regierung.

Dieser werde in „kollegialen Gesprächen“ ausgehandelt, lobte Scholz. Es gelinge, die Vertraulichkeit zu wahren, weshalb die Opposition auf Mutmaßungen angewiesen sei. Derzeit verhandelt Scholz mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) über den Haushaltsentwurf, der ursprünglich am 3. Juli hätte vorgelegt werden sollen. Scholz sprach nun nur noch von einem Termin „im Juli“. Lindner lehnt bislang das Ausrufen einer Notlage wegen des Ukraine-Kriegs ab und beharrt zum Ärger der SPD auf der Einhaltung der Schuldenbremse.

Als Ziele seiner Regierung nannte der Kanzler die Stichworte Sicherheit, Zusammenhalt und Wachstum. „Wenn der Kuchen wächst, gibt es mehr miteinander zu regeln“, sagte Scholz und rief dazu auf, den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht schlechtzureden. Mit nur 84 Millionen Menschen sei Deutschland drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Investitionen etwa von Technologie-Unternehmen zeigten ein „klares Bekenntnis zum Investitionsstandort Deutschland“.

Merz macht die Ampel für Erfolge der extremen Kräfte verantwortlich

Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) warf der Ampel hingegen eine verfehlte Wirtschaftspolitik und das Abrutschen in internationalen Rankings vor. So werde Deutschland im Ausland als „kranker Mann Europas“ bezeichnet. „Noch nie in der Geschichte unseres Landes hat eine Regierung so klar gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung regiert“, sagte er. Die Bundesregierung sei daher verantwortlich für das Erstarken extrem rechter und linker Kräfte bei der Europawahl. Die AfD war auf 15,9 Prozent, die Neugründung Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf 6,2 Prozent gekommen. Scholz habe erneut jegliche Selbstkritik vermissen lassen, kritisierte Merz. Vize-Fraktionschef Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einem „klaren Misstrauensvotum“ gegen die Ampel.

Einigkeit zwischen Ampel und Union zeigte sich hingegen in der Außenpolitik. Scholz bezeichnete Europa in seiner Regierungserklärung anlässlich des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag und des Nato-Gipfels im Juli als „nationale Aufgabe“. Die Nato und die transatlantische Partnerschaft seien „zentral“ für das Sicherheits- und Staatsverständnis der Bundesrepublik. Deutschland liege nun oberhalb des Zwei-Prozent-Ziels der Nato, wonach zwei Prozent der Wirtschaftskraft in die Verteidigung fließen sollen.

Scholz rügt das Verhalten von AfD und BSW bei Selenskijs Besuch

Scholz sagte auch die weitere Unterstützung der von Russland überfallenen Ukraine zu und verwies darauf, dass Putin für die Einstellung der Kampfhandlungen die Übergabe noch gar nicht eroberter Gebiete verlange. „Wer glaubt, dass die Ukraine das überleben wird und das daraus ein dauerhafter Frieden in Europa werden würde, der muss schon sehr viel Russia Today schauen“, sagte er. Als „unwürdig“ bezeichnete Scholz das Fernbleiben fast aller Abgeordneter der AfD sowie der Abgeordneten des BSW während der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij im Bundestag am 11. Juni. Dafür erhielt er Zustimmung von Merz. Der Oppositionsführer nahm den Kanzler auch gegen „Feixen und Zwischenrufe“ aus den Reihen der AfD beim Thema Ukraine in Schutz. Als Mitglied des Bundestags müsse man sich dafür „schämen“.

Zufrieden äußerten sich Scholz wie Merz über die jüngsten Personalbeschlüsse in EU und Nato. So soll Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim EU-Gipfel bestätigt werden. Als EU-Ratspräsident vorgesehen ist der ehemalige portugiesische Regierungschef António Costa. Das Amt der Hohen Repräsentantin für Außen- und Sicherheitspolitik soll die derzeitige estnische Regierungschefin Kaja Kallas übernehmen. Der scheidende niederländische Premierminister Mark Rutte wird Nato-Generalsekretär.



Author: RoteRuhrarmee1920

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