Reichsbürger-Prozesse: Terrornetzwerk mit tiefen Wurzeln im Staatsapparat


In Frankfurt, Stuttgart und München hat in drei Verfahren der Prozess gegen das rechtsterroristische „Reichsbürger“-Netzwerk um Prinz Reuß begonnen, dem die Bundesanwaltschaft vorwirft, einen Angriff auf den Bundestag und einen gewaltsamen Umsturz geplant zu haben. Insgesamt sind bislang 26 Personen angeklagt.

Heinrich XIII. Prinz Reuß [Photo by Steffen Löwe / wikimedia / CC BY-SA 4.0]

Im Frankfurter Stadtteil Sossenheim wird seit Mai in einer eigens errichteten Halle gegen die führenden Mitglieder der Verschwörung verhandelt. Der sogenannte „Rat“ sollte nach einem erfolgreichen Umsturz eine Übergangsregierung bilden. „Rädelsführer“ und Vorsitzender des Rats war laut Anklage der Immobilienunternehmer und Spross eines alten Adelsgeschlechts, Heinrich XIII. Prinz Reuß.

In Stuttgart-Stammheim läuft seit April der Prozess gegen den „militärischen Arm“ der Gruppe, und in München wird seit diesem Monat gegen weitere führende Mitglieder verhandelt.

Der Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, Andreas Singer, sprach im Vorfeld von einem der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik: Fünf Richter, zwei Ergänzungsrichter und 22 Verteidiger würden allein am Stuttgarter Prozess teilnehmen. Die Ermittlungsakten umfassen demnach 700 Leitz-Ordner.

Die Anklage macht deutlich, dass es sich keineswegs um eine radikale, aber harmlose Gruppe von Spinnern handelt, sondern um eine verzweigte Organisation mit viel Geld, viel Waffen, dem Fachwissen diese zu benutzen und detaillierten Plänen für massiven, mörderischen Terror. Sie verfügt über enge Verbindungen zum Militär und anderen staatlichen Institutionen. Die ideologischen Vorstellungen der Beteiligten sind zwar krude, aber in rechtsradikalen Milieus weit verbreitet.

Die Gruppe hatte bereits 382 Schusswaffen, 347 Stichwaffen und mehr als 148.000 Stück Munition beschafft. Unter den Mitgliedern finden sich Dutzende Militärs. Eine Gruppe von 20 Leuten sollte mit bewaffneten Kräften in den Reichstag eindringen und dort Politiker festnehmen. Die Polizei sollte dem Militär unterstellt und die Regierung gestürzt werden.

Die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin am Berliner Landgericht, Birgit Malsack-Winkemann, wird unter anderem beschuldigt, den militärischen Mitgliedern der Gruppe Zugang zum Reichstagsgebäude verschafft zu haben. Malsack-Winkemann verfügte selbst über mehrere Schusswaffen, war Mitglied des „Rats“ und als künftige „Justizministerin“ unter Reuß vorgesehen.

Zugleich verfolgte die Gruppe das Ziel, bundesweit 286 Heimatschutzkompanien aufzubauen, die laut Anklage nach einem Umsturz „Säuberungen“ durchführen sollten. Militärischer Kopf der Gruppe soll der 69-jährige ehemalige Bundeswehr-Oberst Rüdiger von Pescatore gewesen sein, bis Mitte der 1990er Jahre Kommandeur eines Fallschirmjägerbataillons der Luftlandebrigade 25, einer Vorgängerin der Spezialeinheit KSK.



Author: AFP Deutschland

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