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Reform des Staatsangehörigkeitsrechts: Was sich bei der Einbürgerung in Deutschland ändert


Menschen können ab heute schneller deutsche Staatsbürger werden. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden? Und was ändert sich außerdem? Die wichtigsten Antworten

Dies ist ein experimentelles Tool. Die Resultate können unvollständig, veraltet oder sogar falsch sein.

Das neue Staatsangehörigkeitsrecht tritt in Kraft und erfüllt ein zentrales Wahlversprechen der Ampel. Die Reform ermöglicht schnellere Einbürgerungen nach fünf statt acht Jahren, doppelte Staatsbürgerschaften sind grundsätzlich möglich. Einbürgerungen werden erleichtert bei besonderen Integrationsleistungen und für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern. Gastarbeiter erhalten Erleichterungen. Die Behörden rechnen mit einem Anstieg der Anträge, haben sich aber personell verstärkt. Kritik kommt vor allem von der Union, die die Reform im Falle eines Wahlsieges rückgängig machen will.

Reform des Staatsangehörigkeitsrechts: Von diesem Donnerstag an sind Einbürgerungen in Deutschland deutlich schneller möglich. Die Einbürgerungsurkunde soll etwa grundsätzlich im Rahmen einer öffentlichen Feier ausgehändigt werden.
Von diesem Donnerstag an sind Einbürgerungen in Deutschland deutlich schneller möglich. Die Einbürgerungsurkunde soll etwa grundsätzlich im Rahmen einer öffentlichen Feier ausgehändigt werden.
© Markus Joosten/​imago images

Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht tritt an diesem Donnerstag eine Reform in Kraft, die ein zentrales Wahlversprechen der Ampel einlöst. Die neuen Regelungen sollen Einbürgerungen beschleunigen und doppelte Staatsbürgerschaften grundsätzlich ermöglichen. Die Einbürgerung von Menschen, die nicht für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen können oder sich nicht zur freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland bekennen, wird hingegen erschwert. Ein Überblick:

Was besagt das neue Staatseinbürgerungsrecht?

Menschen, die eine deutsche Staatsbürgerschaft anstreben, haben von heute an Anspruch auf Einbürgerung bereits nach fünf statt bisher acht Jahren – vorausgesetzt der Antragsteller erfüllt alle Bedingungen. Bei besonderen Integrationsleistungen sollen Ausländerinnen und Ausländer bereits nach drei Jahren Deutsche werden können. Voraussetzungen für die schnellere Einbürgerung sind etwa gute Leistungen in Schule oder Job, gute Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement. 

Alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern sollen künftig ohne weiteren Vorbehalt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren legal in Deutschland lebt. Bislang lag die Frist bei acht Jahren. 

Muss eine bisherige Staatsangehörigkeit abgegeben werden?

Bislang galt bis auf wenige Ausnahmen das Prinzip: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt, muss die alte Staatsbürgerschaft ablegen. Künftig soll Mehrstaatigkeit grundsätzlich möglich sein. 

Ob die bisherige Staatsangehörigkeit beibehalten werden kann oder mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verloren geht, hängt davon ab, welche Kriterien das jeweilige Land erlaubt. Auch Deutsche, die eine andere Staatsangehörigkeit erwerben, können ihre deutsche Staatsangehörigkeit behalten. 

Welche Bedingungen müssen Antragsteller künftig erfüllen?

Für die Einbürgerung muss der Lebensunterhalt grundsätzlich ohne Sozialleistungen gesichert sein. Bislang konnte von dieser Voraussetzung abgewichen werden, wenn jemand glaubhaft belegen konnte, dass er oder sie die Inanspruchnahme solcher Leistungen nicht selbst zu vertreten hatte. Das wird künftig nur noch in sehr wenigen, klar definierten Fällen möglich sein.

Das Sprachniveau B1 als Anforderung bleibt unverändert und gilt für alle. Hier gibt es allerdings eine Ausnahme für sogenannte Gastarbeiter. Bei ihnen und ihren Ehegatten soll es ausreichen, dass sie sich auf Deutsch verständigen können. 

Alle anderen Voraussetzungen bleiben bestehen und stehen im sogenannten Staatsangehörigkeitsgesetz. So brauchen Bewerber etwa einen bestandenen Einbürgerungstest und dürfen nicht vorbestraft sein.

Welche Erleichterung bekommen frühere Gastarbeiter?

“Gast- und Vertragsarbeiter haben einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung Deutschlands geleistet”, schreibt das Bundesinnenministerium auf ihrer Website. Sie hätten in der Vergangenheit aber kaum Integrationsangebote erhalten. Das gilt für Gastarbeiter, die bis 1974 in die Bundesrepublik oder bis 1990 in die ehemalige DDR eingereist sind. Neben einer Erleichterung beim Sprachnachweis sind sie nicht länger verpflichtet, einen Einbürgerungstest abzulegen. Grundsätzlich soll nur die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wer den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Auch hier gibt es eine Ausnahme für Gastarbeiter.

Wo kann ein Antrag für Einbürgerung gestellt werden?

Ein Antrag zur Einbürgerung muss bei der Einbürgerungsbehörde gestellt werden, die für den jeweiligen Wohnort zuständig ist. Für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren müssen die Eltern den Antrag stellen. Welche Behörde genau zuständig ist, kann man bei der Stadt- oder Kreisverwaltung, bei der Ausländerbehörde oder der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer oder den Jugendmigrationsdiensten nachfragen.

Die Einbürgerung kostet in Deutschland 255 Euro pro Person. Für minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammen eingebürgert werden, sind 51 Euro zu bezahlen.

Wie hoch ist das Interesse nach der Reform?

Experten rechnen mit einem Anstieg der Anträge bei den deutschen Staatsangehörigkeitsbehörden. Bereits kurz vor Inkrafttreten der neuen Regeln liegen laut einer Umfrage allein in 42 großen deutschen Städten schon mehr als 200.000 Anträge vor. Das seien mehr als alle Einbürgerungen aus dem vergangenen Jahr in ganz Deutschland, teilte der Mediendienst Integration mit. Die meisten Einbürgerungsanträge wurden demnach in Berlin, Hamburg und München gestellt. 

Auch das Hamburger Amt für Migration rechnet nach dem Inkrafttreten mit deutlich mehr Anträgen. Demnach wurden 2024 bis zum 31. Mai insgesamt 6.723 Einbürgerungsanträge gestellt. “Jedoch beobachten wir ein seit Jahren steigendes und nicht erst seit der Ankündigung der Gesetzesänderungen gestiegenes Interesse an Einbürgerungen – so hat sich die Zahl der Einbürgerungsanträge innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als verdoppelt”, sagte ein Pressesprecher ZEIT ONLINE.

Werden die Einbürgerungsbehörden überlastet?

In Deutschland sind die Länder für den Vollzug des Staatsangehörigkeitsgesetzes zuständig, also auch für die Bearbeitung der Anträge. “Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat die Länder (und die großen Einbürgerungsbehörden) frühzeitig über die Reformüberlegungen informiert, damit sie sich auf die geplanten Änderungen einstellen können”, heißt es auf der Website des Bundesinnenministeriums. Laut einem Pressesprecher des Hamburger Amts für Migration ist die Abteilung personell erheblich verstärkt und das Verfahren an wesentlichen Stellen digitalisiert worden.

Die Bearbeitungszeit dürfte sich trotzdem zumindest in den ersten Monaten erhöhen. Laut dem Mediendienst Integration variiert die Bearbeitungszeit bereits je nach Stadt und Fall: Laut einer Umfrage lag sie in befragten Städten zwischen 3 und 36 Monaten. Als Gründe nannten die Städte einen zunehmenden Bearbeitungsstau, unvollständig eingereichte Unterlagen und eine mitunter nötige Mitwirkung anderer Behörden. Probleme könnte es außerdem beim Einbürgerungstest geben. Wie der RBB berichtet, melden die Berliner Volkshochschulen eine Überlastung bei der Vergabe von Terminen.

Wie viele Menschen lassen sich in Deutschland jährlich einbürgern?

Im Jahr 2023 wurden in Deutschland laut dem Statistischem Bundesamt rund 200.100 Ausländerinnen und Ausländer eingebürgert. Damit stieg die Zahl der Einbürgerungen im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent – ein Trend, der bereits seit mehreren Jahren anhält.

Menschen aus 157 unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten erhielten 2023 die deutsche Staatsbürgerschaft. Dabei machten syrische Staatsangehörige mehr als ein Drittel der Einbürgerungen aus. 

Was ändert sich noch?

Das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung wird präzisiert. Die Reform stellt klar, dass “antisemitisch, rassistisch, gegen das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung gerichtete oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen” mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind.

Nach den antisemitischen Protesten in Deutschland infolge des Hamas-Angriffs auf Israel wurde eine weitere Passage ergänzt. Gefordert wird nun auch das Bekenntnis “zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihren Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens”. Der Fragenkatalog der Einbürgerungstests wurde entsprechend erweitert, auch zum Existenzrecht des Staates Israel.

Gibt es Kritik an der Reform?

Kritik an der Reform kommt vorwiegend aus der Union. CDU und CSU kündigte bereits an, die Reform im Falle eines Wahlsieges in der nächsten Legislaturperiode rückgängig machen zu wollen. “Die doppelte Staatsbürgerschaft muss die Ausnahme bleiben und beschränkt auf Staaten, die unsere Werte teilen”, sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). Auch seien die neuen Fristen viel zu kurz. Nach fünf oder gar drei Jahren könne noch nicht sicher festgestellt werden, ob die Integration nachhaltig gelungen sei. 

Auch der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, kritisiert die neuen Einbürgerungsregeln. “Ich halte das Gesetz in dieser Form für falsch. Denn ich möchte nicht, dass Antisemiten, türkische Nationalisten und Islamisten den deutschen Pass bekommen. Wir haben schon genug Nazis in diesem Land. Dann müssen wir nicht noch weitere ins Land holen”, sagte Toprak dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Viele Antragsteller hätten im Hinterkopf, nach erfolgter Einbürgerung bereits im nächsten Jahr an der Bundestagswahl teilnehmen zu können, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu. “Ich appelliere daher an die Parteien, sich klarzumachen, dass die Antragsteller potenzielle Wählerinnen und Wähler sind. Wenn man die gewinnen will, dann muss man eine entsprechende Politik machen”, sagte Sofuoğlu. Dazu gehöre, in Parteien mehr Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen und Rassismus “ernsthaft” zu bekämpfen.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters



Author: RoteRuhrarmee1920

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