Proteste rund um AfD-Parteitag: Weidel keilt gegen “Hippie-Wahn” – Polizei eskortiert Delegierte aus Bäckerei



Proteste rund um AfD-Parteitag

Weidel keilt gegen “Hippie-Wahn” – Polizei eskortiert Delegierte aus Bäckerei

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Zwei Tage lang trifft sich die AfD in Essen. Im Zentrum steht die Wahl der Spitze. Tausende Demonstranten protestieren gegen die Veranstaltung und die Partei. Die Polizei muss mitunter die Delegierten zum Versammlungsort bringen.

Begleitet von teils massiven Protesten hat in Essen der zweitägige Parteitag der AfD begonnen. Zahlreiche Aktivisten versuchten, die Anreise von Delegierten zu verhindern. In der Umgebung des Veranstaltungsortes, der Grugahalle, besetzten sie Straßen und Kreuzungen. An einer Autobahnauffahrt saßen mehrere Hundert Menschen auf den Fahrbahnen. Eine Sprecherin der Blockade-Aktion sowie die Polizei sprachen von Tausenden Demonstranten.

In der Halle eröffnete die AfD-Vorsitzende Alice Weidel das Treffen der gut 600 Delegierten mit einer Schimpfkanonade gegen die etablierten Parteien und den Verfassungsschutz. Deutschland sei unter der Ampel-Regierung “zu einem Ponyhof verkommen”, sagte die Co-Vorsitzende in ihrer Begrüßungsrede. “Deutschland schafft sich ab, wenn wir nicht in die Speichen greifen und diesem woken Hippie-Wahn endlich ein Ende bereiten.”

Mehrere Bundestagsabgeordnete berichteten derweil, sie seien von der Polizei am Hotel abgeholt und zum Veranstaltungsort gebracht worden. Andere Delegierte gelangten unbehelligt zur Grugahalle. Die Polizei hat das Gelände weiträumig abgesperrt.

Von einer Brücke riefen Demonstranten: “Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda.” An einer Kreuzung versuchte eine größere Personengruppe, eine Polizeiabsperrung zu überwinden. Die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Ob dabei Demonstranten verletzt wurden, ist bislang nicht bekannt. Mehrere Rettungswagen seien angefordert worden, sagte ein Polizeisprecher. In einer Einkaufsstraße postierten sich Demonstranten vor einer Bäckerei, in der sich AfD-Politiker aufhielten. Kräfte einer Einsatzhundertschaft hätten die Politiker herausgeführt, sagte ein Polizeisprecher.

Weidel nennt Verfassungsschutz “Verfassungsfeind”

Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall – eine Einschätzung, die das Oberverwaltungsgericht in Münster im Mai bestätigt hatte. Unter dem Applaus ihrer Parteifreunde schimpfte Weidel: “Der Verfassungsschutz ist selbst zum Verfassungsfeind geworden, und er gehört in dieser Form abgeschafft.”

Deutschland solle wieder “ein Wirtschaftswunderland mit einem deutlichen Geburtenüberschuss” werden, sagte Weidel. Das neue Staatsbürgerschaftsgesetz mit verkürzten Fristen für die Einbürgerung werde die AfD im Falle einer Regierungsbeteiligung wieder kassieren. Das hat auch die Union angekündigt.

Mit Blick auf innerparteiliche Debatten über eine Abschaffung der Doppel-Spitze wählte Weidel eine Fußball-Metapher und sprach von einem “Trainer-Gespann” in der Parteiführung. Vielleicht wollte sie damit Parteifreunden den Wind aus den Segeln nehmen, die vermuten, sie wolle den Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla zur Seite schieben und sich jetzt schon als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl in Stellung bringen.

Chrupalla räumt Fehler ein

Mit Spannung wird vor allem Chrupallas Wahlergebnis erwartet. Er selbst lobte in seiner Rede, die Arbeit des Bundesvorstands in den letzten zwei Jahren habe sich sehen lassen können. Vor zwei Jahren beim Parteitag in Riesa hatte Chrupalla nur 53 Prozent erhalten, Weidel 63 Prozent. “Wir sind die Nummer eins im Osten”, sagte Chrupalla. Nach Riesa sei der Weg “stetig nach oben” gegangen.

Für seine Rede bekam Chrupalla weniger Applaus als Weidel. Er räumte Fehler mit Blick auf die Europawahl ein. “Wir hätten 20 Prozent holen können”, sagte er. Künftig müsse sich die AfD ihre Kandidaten genauer ansehen. Die Verantwortung für die Kandidaten auf Platz eins und zwei auf der Europaliste, Maximilian Krah und Petr Bystron, übernahm er allerdings nicht. Die Landesverbände hätten ihre Kandidaten ins Rennen geschickt, die Mehrheiten seien von “Graswurzelnetzwerken” organisiert worden. Künftig werde der Bundesvorstand die Kandidatenauswahl wie bei der österreichischen FPÖ “enger begleiten”.

Weitere Proteste am Nachmittag geplant

Die AfD will bei ihrem zweitägigen Parteitag den Vorstand neu wählen. Sowohl Weidel als auch Chrupalla haben angekündigt, wieder antreten zu wollen. Bei der Europawahl am 9. Juni hatte die AfD 15,9 Prozent der Stimmen erhalten und war damit hinter ihren eigenen Erwartungen zurückgeblieben. Geschadet haben dürften der AfD Berichte über das Potsdamer Treffen zur sogenannten Remigration, die neue Konkurrenz durch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sowie die Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah, der unter anderem wegen mutmaßlicher Russland- und China-Verbindungen wochenlang für Schlagzeilen gesorgt hatte.

Einen ersten friedlichen Protest hatte es bereits am Freitagabend unter dem Motto “Bass gegen Hass” gegeben. An der Rave-Demo beteiligten sich laut Polizei rund 5000 Menschen. Bei einer zentralen Versammlung am Nachmittag wollen unter anderem Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann und die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, sprechen. Ab dem späten Nachmittag ist ein Musikprogramm geplant.



Author: RoteRuhrarmee1920

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