„Propalästinakomitee“ harrt an FU Berlin aus – und niemand geht hin
Die Studenten an der FU protestieren gegen Israel und für Palästina. Eine Woche lang wollen sie in Berlin-Dahlem in Zelten campieren. Doch schon nach wenigen Stunden wird deutlich: Kaum ein Besucher verirrt sich dahin. Eine richtige Planung gibt es auch nicht.
Das Protestcamp des selbst ernannten Palästinakomitee an der Freien Universität Berlin (FU) stößt am zweiten Tag auf wenig Interesse. Kaum ein Besucher verirrt sich am Freitag zu der campenden Gruppe vor dem Henry-Ford-Bau auf der Wiese neben dem Haupteingang zu den Hörsälen. Wer Krawall, Parolen und Pfefferspray erwartete wie Mitte Mai, als vermummte FU-Studenten einen Hörsaal stürmten und von der Polizei gestoppt werden mussten, wird enttäuscht. Es gab weder Ausschreitungen noch Festnahmen. Leise Musik aus einem der Lautsprecher wird vom Verkehrslärm übertönt, die Teilnehmer bleiben auf der kleinen Wiese, die von einer akkurat geschnittenen Hecke eingerahmt ist.
Am Vormittag beratschlagen sich die etwa 20 Frauen und Männer im Schneidersitz vor den Zelten. Das Treffen diene der „Selbstorganisation“, sagt ein Teilnehmer, Kundgebungen seien heute nicht geplant. Die Sonne knallt auf die Igluzelte und das rote Dach eines Infostands. Zwischen einer gut sichtbar platzierten Großpackung Damenbinden, einer Schachtel Kopfschmerztabletten und verschiedenen Handys liegt ein Stapel A-4-Papier. Das Infomaterial erweist sich als Aufruf zur Teilnahme am Camp und eine zwei Tage alte Pressemitteilung.
Eine junge Frau in der leuchtend orangefarbenen Warnweste wird als aktuelle Pressesprecherin des Camps ernannt. Sie kommt hinter dem Infostand hervor und wehrt sofort ab. Mit WELT wolle man nicht reden, eine Begründung wird nicht genannt. Sie erweist auf die A-4-Blätter auf dem Tisch.
Aus der Meldung geht hervor, was die mannigfachen Ziele der Gruppe sind. Das Camp sei unter anderem die „direkte Antwort“ auf das neue Berliner Hochschulgesetz und die Erleichterung von Exmatrikulationen. Es richte sich an alle, die für eine „demokratische und kritische Universität“ kämpften, „gegen Repression und für das Ende des Genozids sowie ein freies Palästina“. Man fordert außerdem die Umbenennung des Henry-Ford-Gebäudes, um ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Damit wiederholen sich die Forderungen des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), der schon früher wegen Antisemitismus des Namensgebers diese Forderung erhoben hatte.
„Augen auf bei der Berufswahl“, kommentiert eine Polizistin
Weitere Kritikpunkte der Demonstranten: die Räumung früherer ähnlicher Camps und „Repressionen“ gegen Studierende. Gemeint ist das neue Hochschulgesetz des Berliner Senats als Folge von gewaltsamen antisemitischen Protesten. Studenten können seither wegen politischer Aktivitäten exmatrikuliert werden. Ähnliche Protestcamps wie in Berlin gab es in den vergangenen Monaten an anderen Universitäten wie Bonn und Bremen.
Noch sechs Tage plant die Gruppe, auf der Grünfläche neben dem Eingang zum Hörsaalgebäude auszuharren. Als zugängliche Fläche fällt die Wiese unter das Demonstrationsgesetz, die Veranstaltung wurde polizeilich genehmigt. Es ist bereits das zweite Camp des „Palästinakomitees“. Es prangert einen „Völkermord“ durch Israel an und ruft zum Protest auf.
Einige Teilnehmer tragen neonfarbene Warnwesten, andere Kufiya-Tücher. Auf der Wiese wird ein Whiteboard aufgestellt mit der Planung der nächsten Tage. Viel steht bisher nicht darauf. Workshops und Frühstück, die Tage von Sonntag an sind noch leer. Eine Studentin mit Kopftuch kommt vom Haupteingang zum Stand und blättert in den Flyern herum. Sie bietet den protestierenden Studenten an, ihnen Snacks aus dem Supermarkt zu kaufen. „Was braucht ihr? Vor allem Wasser, oder?“ „Gummibärchen“, sagt eine der Teilnehmerinnen des Camps. „Hole ich euch. Ich finde es so toll, was ihr macht“, begeistert sich die Besucherin und eilt davon.
Im Mannschaftswagen der Polizei gegenüber harren 15 Beamte in aus. Rund um die Uhr wird das Mini-Camp bewacht. Ob es nicht eine sehr undankbare Aufgabe sei, nachts in dem engen Bus auszuharren? „Augen auf bei der Berufswahl“, kommentiert eine Polizistin. Der Campus ist verwaist, auch FU-Präsident Günter M. Ziegler lässt sich nicht blicken. Er hatte sich schon am Donnerstag geäußert und gesagt, er gehe davon aus, dass das Camp „ausschließlich der friedlichen und freien Meinungsäußerung“ diene. Auf „Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und andere Formen von Diskriminierung“ sowie auf Gewalt und Sachbeschädigung werde man mit Anzeigen reagieren.
Am Mittag fährt der Mannschaftsbus der Polizei weg und wird von einem Kleinbus ersetzt. Das Protestcamp liegt verlassen dar, die Teilnehmer machen Mittagspause.