Pressestimmen zur Parlamentswahl: “Ein peinliches Ergebnis für Macron”


Der Ausgang der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich sei ein “peinliches Ergebnis für Macron, der die unnötige kurzfristige Wahl ansetzte”, schreibt das Wall Street Journal. “Wenn Sie mit Emmanuel Macron in einem Casino sind, dann ahmen sie nicht seine Einsätze nach. Der französische Präsident zockte, indem er eine kurzfristige Wahl zur Nationalversammlung ansetzte, und am Sonntag endeten er und seine Zentrumspartei auf einem schwachen dritten Platz im ersten Wahlgang.” Macrons Wette sei gewesen, dass die Wähler wieder “nüchtern” würden, wenn es um die Nationalversammlung gehe. Doch: “Sie schenkten sich stattdessen noch einen Doppelten ein, mehr daran interessiert, eine Botschaft der Unzufriedenheit auszusenden.”

“Weder die Franzosen noch Macrons eigene Regierungsmannschaft waren bereit für die Neuwahl”, urteilt die schwedische Tageszeitung Aftonbladet aus Stockholm. “Frankreich ist eine tragende Säule nicht nur in der Nato, sondern auch in der EU. Mit Blick auf die Spannungen – und die Spaltung – im Land kann das Ergebnis der zweiten Wahlrunde am 7. Juli nicht nur zu parlamentarischem Chaos, sondern auch zu großen Demonstrationen führen.” Da Macrons Lager deutlich zurückliege, dürfte sich ein Teil seiner Wähler im zweiten Wahlgang umentscheiden. “Hoffentlich retten die Franzosen ihr Land am kommenden Sonntag erneut aus den Klauen des Rechtsextremismus. Bis dahin halten sie und der Rest Europas den Atem an.”

“Macrons größter Feind ist seine eigene Politik”

Vor der Wahl hatte Macron vor rechten und linken Kräfte im Land gleichermaßen gewarnt. Sie könnten gar einen Bürgerkrieg auslösen, behauptete der Präsident. Vor diesem Hintergrund fragt die slowakische Tageszeitung Pravda, warum sich Macron entschied, “Wahlen auszurufen, bei denen sehr wahrscheinlich ist, dass der RN seinen Triumph von der EU-Wahl wiederholt und womöglich der aufgehende Stern der Ultrarechten – Jordan Bardella – Premier wird”. Macron habe auf das Schüren von Angst vor Konflikten zwischen den “Extremen” gesetzt. “Der größte Feind Macrons ist jedoch seine eigene, streng rechtsgerichtete, antisoziale und neoliberale Politik und das rücksichtslose Durchsetzen umstrittener Gesetze, wie zum Beispiel die Erhöhung des Rentenalters sowie das Leugnen von Problemen von ländlichen Regionen und Peripherie.”

Mit der kurzfristig angekündigten Wahl habe Macron versucht, “sich als einziges echtes Bollwerk gegen die extreme Rechte zu positionieren”, analysiert die italienische Zeitung La Stampa. “Emmanuel Macron hat dieses Spiel verloren. Der Präsident sieht sich mit einem Land konfrontiert, das in drei Lager gespalten ist – mit der sehr realen Möglichkeit, dass die republikanische Rechte und die Linke zum ersten Mal nicht in der Lage sein werden, sich zu verbünden, um die extreme Rechte an der Macht zu hindern.”

“Macron hat seine Stärke eindeutig überschätzt”

El País aus Spanien sieht angesichts des Abschneidens des RN die anderen Parteien in der Verantwortung: “Entweder sie schließen sich in der zweiten Runde zusammen, um Marine Le Pens RN zu besiegen, oder sie riskieren, in einer Woche den Weg für eine rechtsextreme Regierung in Frankreich zu ebnen.” Der Widerstand gegen den RN sei jedoch kompliziert. Nicht zuletzt, weil die extreme Rechte sich strategisch so entwickelt habe, “dass sie weniger Ablehnung erfährt”. Um zu verhindern, dass die extreme Rechte an die Macht kommt, müssten nun “die anderen ihre Differenzen beiseitelegen und denjenigen unterstützen, der die extreme Rechte besiegen kann”.

Macron sei “einst mit dem Anspruch angetreten, die Links-rechts-Spaltung seines Landes zu beenden. Nun jedoch ist die Polarisierung so stark wie nie”, schreibt der Spiegel. Frankreich stehe vor einem historischen Einschnitt. “Der Rassemblement National von Marine Le Pen greift nach der Macht: Die absolute Mehrheit der Sitze in der Pariser Nationalversammlung ist für die rechtsradikale Partei in Reichweite.” Und selbst falls es zur Mehrheit nicht reiche, sei die Gefahr nicht gebannt: “Fehlen ihm einige Abgeordnete zur absoluten Mehrheit, könnte Parteichef Bardella womöglich Konservative aus der Partei Les Républicains auf seine Seite ziehen.” 

Fest steht für den Spiegel, dass sich Macron mit der Wahl “völlig verkalkuliert” hat. Der Präsident habe auf eine Trotzreaktion seiner Anhänger sowie die Zersplitterung der Linken gehofft. “Nun aber besiegelt dieser Urnengang den Aufstieg des RN zu Frankreichs stärkster Partei.” Und auch innerhalb der EU und auf der politischen Weltbühne werde Macron künftig “deutlich geschwächt sein”.

Mit Blick auf die zweite Runde der Parlamentswahlen am kommenden Sonntag schreibt die belgische Zeitung De Tijd: “Diesmal stellt sich die Frage, welches Lager den Herausforderer des RN in den Wahlkreisen schlagen kann: das Parteienbündnis von Präsident Macron oder das Linksbündnis Nouveau Front populaire. Macron rechnete damit, dass sein Bündnis vorn liegen würde. Er wurde jedoch von der raschen Bildung einer Linksfront überrascht, die unmittelbar auf seine Ankündigung vorgezogener Wahlen folgte. Nun läuft Macron Gefahr, die Initiative der Linken überlassen zu müssen, wenn sein Kandidat nur Dritter wurde. Macron sah die vorgezogenen Wahlen als eine Art Volksabstimmung über seine Politik in der Mitte seiner zweiten Amtszeit. Aber er hat seine Stärke eindeutig überschätzt.”



Author: RoteRuhrarmee1920

Kommentar verfassen