Peking will über Autozölle reden: Habeck genießt Erfolg seiner resoluten China-Diplomatie


Robert Habeck beendet seine Ostasien-Reise und ist “sehr zufrieden”. Der Bundeswirtschaftsminister hofft, eine Wende im Zollstreit zwischen EU und China ermöglicht zu haben. Dabei ist Habeck in Peking ganz anders aufgetreten, als es Bundeskanzler Scholz tun würde.

Während einer China-Reise hat ein Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister nie wirklich Feierabend. Aber eine längere Pause dürfte Robert Habeck nach einem besonders intensiven 14-Stunden-Tag schon herbeisehnen. Letzter Programmpunkt gegen 22 Uhr Ortszeit: vor Shanghais spektakulärem Hochhauspanorama den deutschen Nachrichten-Zuschauern von seinen Verhandlungen mit Chinas Regierungsvertretern zu berichten. Während der anschließenden Fahrt zum Hotel schreckt eine Meldung die deutsche Reisegruppe auf: Chinas Regierung kündigt an, in konkrete Verhandlungen mit der EU-Kommission einzusteigen. Habeck dürfte schlagartig wieder wach ein.

Hat er in Peking tatsächlich einen Zollkrieg zwischen China und EU verhindert? Ein solcher Konflikt droht schließlich, als Habeck an jenem Samstag hintereinander drei ranghohe Regierungsmitglieder trifft. Diese Gespräche werden dominiert von den Zollzuschlägen, die die EU-Kommission ab November auf in China produzierte Elektroautos erheben will. Sie will so die von China geleisteten Subventionen ausgleichen, die nach Lesart Brüssels den vergleichsweise niedrigen Verkaufspreis überhaupt erst möglich machen. Chinas Regierung hatte den Schritt scharf kritisiert und Gegenmaßnahmen angekündigt. Gespräche über das Thema waren über Monate nicht möglich – und dann kam Habeck.

Wer kennt schon Chinas Gründe?

“Ich kann nur sagen, dass ich das getan habe, was man als deutscher Wirtschaftsminister in dieser Situation tun muss”, sagt Habeck gegen Mitternacht den mitgereisten Journalisten. Da hat inzwischen auch Brüssel das Zustandekommen direkter Verhandlungen mit Peking bestätigt. In diesem Wissen tritt der Minister bei noch zu später Stunde tropischer Hitze vor die Presse. “Ob es ein Beitrag gewesen ist und wie viel Beitrag es gewesen ist, müssen andere beurteilen”, sagt Habeck da.

Das klingt bescheiden, hat aber einen besonderen Charme: Niemand kann den Beitrag des Grünen-Politikers zu der Annäherung zwischen Brüssel und Peking seriös bemessen. Chinas Regierung ist eine Blackbox. Vielleicht wäre sie so oder so in Gespräche gegangen, vielleicht verfolgt sie diese jetzt ohne ernsthafte Absichten. Doch der Zeitpunkt deutet auf einen direkten Zusammenhang: Kurz nach Habecks Begegnungen in Peking lässt sich die chinesische Regierung auf konkrete Verhandlungsformate ein, nachdem sie zuvor noch scharf gegen die Europäer geschossen hat.

Habeck will nicht “Pfötchen geben”

Das Bemerkenswerte dabei: Habeck hatte seinen Gegenübern keinesfalls “Pfötchen” gegeben, wie er selbst seine Verhandlungsstrategie in der ARD umschrieb. Selten dürfte ein deutscher Regierungsvertreter in Peking derart eine direkte Konfrontation mit seinen Gastgebern gesucht haben. Der Kontrast zu Bundeskanzler Olaf Scholz’ Besuch bei Staatschef Xi Jinping im April ist augenfällig. Scholz war vor allem auf die Pflege der Wirtschaftsbeziehungen aus. Er hatte die Vertreter einiger in China besonders stark engagierter DAX-Konzerne dabei. Welche und wie Scholz aber auch Kritikpunkte vorgetragen hat, bleibt das Geheimnis der wenigen Teilnehmer des Gespräches hinter verschlossenen Türen.

Habeck dagegen hatte nicht einmal ein Lächeln übrig für Zheng Shanjie, den mächtigsten Wirtschaftspolitiker des 1,4-Milliarden-Einwohner-Landes. Er warf Zheng im presseöffentlichen Gespräch der beiden vor, Russlands Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Er kritisierte den Bau lauter neuer Kohlekraftwerke und forderte von China eine konsequente Klimaschutzpolitik. Und Habeck widersprach der chinesischen Behauptung, die EU wolle China für seine besseren und günstigeren Elektro-PKW zum Schutz heimischer Hersteller bestrafen.

Wenn es keine marktverzerrenden Subventionen gäbe, könne China das doch in Verhandlungen mit der EU-Kommission nachweisen und so die “Ausgleichszölle” noch abwenden. Deutschland und die Bundesregierung befürworteten ohnehin eine Welt ohne Handelshemmnisse, müssten aber auf faire Handelsbeziehungen bestehen, erklärt Habeck den chinesischen Ministern.

Scholz stellt sich hinter EU-Kommission

Sollte Peking auf ein Signal der Entspannung gehofft haben vom Wirtschaftsminister der größten Autobauernation Europas, enttäuscht Habeck seine Gastgeber. Er stellt sich klar hinter den Kurs von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Dabei schlagen Deutschlands Autobauer Alarm: Daimler produziert den vollelektrischen Kleinwagen Smart in Kooperation mit dem chinesischen Geely in China. Genauso macht es BMW mit dem elektrischen Mini und dem Unternehmen Great Wall. Die Kommission will auf den Smart 20 Prozentpunkte Importzölle zusätzlich erheben, beim Mini gar 38,5 Prozent. Zudem könnte Peking zusätzliche Zölle auf Autos aus Europa erheben.

Als Habeck in Shanghai das Entwicklungszentrum von Mini-Eigner BMW besucht, sagt der stellvertretende Entwicklungschef des Konzerns, Robert Kahlenberg: “Für BMW ist ein zollfreier Handel sehr wichtig.” Dem Minister werden Modelle präsentiert, die in China gebaut und in Europa verkauft werden, sowie solche, die den Weg andersherum gehen.

Nicht nur die Autobauer, auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte in den vergangenen Wochen wiederholt vor den Folgen einer Abschottung des europäischen Marktes gewarnt. Er pochte in Brüssel auf eine Verhandlungslösung zwischen Kommission und Peking.

Anders als Scholz, aber in seinem Sinne

Mit der laut Habeck “überraschenden” Einigung auf ein Verhandlungsformat ist nun zumindest ein Türspalt geöffnet zu einer solchen Lösung. Habeck muss das nicht offensiv für sich reklamieren, wird sich aber nicht gegen derartige Zurechnungen wehren. Er hat zumindest demonstriert, dass die Chinesen auf eine offene Aussprache der eigenen Position nicht automatisch trotzig reagieren.

Bei dieser Bewertung muss man aber Bundeskanzler Scholz zugestehen: Einen auf Lebenszeit zum Staatschef ernannten Xi Jinping mit all dem Führerkult um seine Person kann man schlecht in aller Öffentlichkeit zurechtweisen. In Xis Einparteienstaat nehmen die Minister sowie Wirtschaftsplaner Zheng, zu denen Habeck vorgelassen wurde, eine im Vergleich zur deutschen Bundesregierung nachrangige Rolle ein. Premierminister Li Qiang hatte kurzfristig doch keine Zeit für den rüden Robert.

Dennoch: Das Kanzleramt und die beiden Grünen, Außenministerin Annalena Baerbock und Habeck, haben viele Monate um die im Juni 2023 verabschiedete China-Strategie Deutschlands gerungen. Das Kanzleramt hatte eine deutliche Distanzierung von und Kritik an China abgelehnt – aus Sorge um die Beziehungen beider Länder.

Dass Habeck mit seinem Ansatz unverblümter Kritik einen Schritt weg von einem Zollkrieg eingeleitet haben könnte, dürften die Grünen als Bestätigung auffassen. Wenig überraschend fällt daher das Fazit aus, das Habeck am Ende seiner Ostasienreise in Guangzhou der Presse mitgibt. “Es sind erste Schritte, die so vorgestern noch nicht absehbar waren”, sagt Habeck. “Insofern: Ja, ich bin sehr zufrieden.”



Author: RoteRuhrarmee1920

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