Merz im Sommerinterview: „Die Opposition kann die AfD nicht halbieren, wenn die Regierungspolitik die AfD verdoppelt“


Die Politiker verabschieden sich in zwei Wochen in die Sommerpause, doch die Probleme bleiben bestehen. In den Sommerinterviews der Öffentlich-Rechtlichen stehen seit mehr als 36 Jahren die Vorsitzenden der großen Parteien zu aktuellen politischen Themen Rede und Antwort. Den Auftakt in diesem Sommer machte jetzt CDU-Chef Friedrich Merz.

Mit der Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios Diana Zimmermann sprach Merz unter anderem über den Umgang der CDU mit AfD und BSW bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten. An die Wähler von SPD, FDP und Grünen richtete Merz den Appell, ihr Kreuz bei den Christdemokraten zu machen.

Gekleidet in beigen Sakko und hellblauem Hemd, saß Merz der Journalistin in Meschede im Sauerland gegenüber, mit See und Vogelgezwitscher im Hintergrund. Der 68-Jährige wurde im Sauerland geboren, wohnt noch heute dort. Aber den Osten des Landes kenne er auch gut, sagte Merz. Er sei dort viel unterwegs, versuche die Menschen zu verstehen. Dass die AfD bei den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen voraussichtlich die meisten Stimmen bekommen wird, machte der Parteichef an der Politik der Bundesregierung fest. Ungelöste Fragen, etwa beim Thema Bildung, der Wirtschaft und der Flüchtlingspolitik „führen zu diesem Wahlverhalten“, sagte er.

„Die Opposition kann die AfD nicht halbieren, wenn die Regierungspolitik die AfD verdoppelt“, meinte Merz. Während im Bund die Ampel regiert, ist die CDU in Brandenburg an der Regierung mit SPD und Grünen beteiligt und stellt mit Michael Kretschmer in Sachsen sogar den Ministerpräsidenten. Um die CDU sei es im Osten ja auch nicht schlecht bestellt, sagte Merz. Sie sei „immerhin zweitstärkste Partei im Osten.“ SPD, Grüne und FDP würden in Ostdeutschland keine Rolle mehr spielen.

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Hendrik Wüst (l.) und Friedrich Merz (beide CDU)

Rivale von Friedrich Merz

Allerdings seien die Probleme im Osten nicht nur ein parteipolitisches Problem. „Es ist eine Frage, ob wir den Osten nach 35 Jahren Mauerfall gut genug integriert bekommen. Und ob wir umgekehrt aus dem Westen heraus den Osten gut genug verstanden haben. Und darum bemühen wir uns“, sagte Merz.

Keine Koalition mit AfD oder BSW

Eindringlich appellierte der CDU-Chef dann an die Wahlberechtigten der beiden Bundesländer, in denen die CDU laut Umfragen knapp hinter der AfD liegen wird: „Die Wählerinnen und Wähler in Sachsen und in Thüringen, die am 1. September vor der Entscheidung stehen, wen sie wählen sollen, aber erwägen, die SPD, die FDP oder die Grünen zu wählen – die allesamt unter fünf Prozent sind – kann ich nur bitten, jetzt in dieser Situation die CDU zu wählen.“

Für Merz gilt die Brandmauer zur AfD, eine Koalition komme mit der rechtspopulistischen Partei nicht infrage. „Ich sage den Wählerinnen und Wählern: Wenn ihr klare Verhältnisse haben wollt, und dafür sorgen wollt, dass es eine stabile Regierung gibt, dann wird es in Thüringen und in Sachsen bei dieser Landtagswahl nur die CDU geben, die verhindert, dass es eine entsprechende schwierige Lage gibt.“

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Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sei nicht koalitionsfähig, hatte Merz bereits mehrfach klargemacht. Sie sei in Teilen linksextremistisch sowie rechtsextremistisch. Im Sommerinterview konkretisierte der Christdemokrat seine Äußerungen: Die Haltung der Partei sei in großen Teilen unklar, viele Positionen extrem links, wie Sahra Wagenknecht es auch schon gewesen sei, als sie noch Politikerin bei den Linken war.

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„In anderen Themen ist sie jetzt plötzlich mit Tönen unterwegs, die wir eigentlich nur von der AfD hören, wenn es zum Beispiel um das Thema Einwanderung und Integration geht“, meinte Merz. Wagenknecht äußere sich „in einer Art und Weise, wo ich sage, da schließe ich eine bundespolitische Zusammenarbeit mit ihr aus.“ Das habe aber erstmal nichts mit der BSW-Ausrichtung in den Themen Marktwirtschaft, Westorientierung, Nato oder Europäischer Union zu tun. „Das ist nicht unsere Politik“, sagte Merz lediglich.

Merz: „Wir wollen regieren“

Auch über den Ukraine-Krieg sprach Merz. Zur Frage, ob er als Kanzler die Taurus-Lieferung ohne zu zögern in die Ukraine schicken würde, gab sich Merz diplomatisch-unklar: „Wir hätten eine andere Entscheidung in der Vergangenheit getroffen. Welche Entscheidung wir in der Zukunft treffen werden, hängt von den Umständen ab, die von uns heute keiner kennt.“

Über die Strategien des Westens wünscht sich der CDU-Vorsitzende scheinbar mehr Stillschweigen: „Wir diskutieren nach meinem Geschmack schon seit zweieinhalb Jahren diese taktischen und strategischen, diese militärischen Fragen viel zu sehr in der Öffentlichkeit. Putin hat doch ein offenes Buch vor sich liegen, wenn er in die deutschen Medien schaut und die Berichterstattung über das, was wir politisch diskutieren.“ Das sei aber kein Vorwurf an die Medien, sondern an die Politiker, meinte er.

Am Ende des 20-Minuten-Gesprächs kam Zimmermann auf die Bundestagswahl 2025 zu sprechen. Aktuell liegt die Union in Sonntagsumfragen (Insa) bei etwa 30 Prozent. Eine absolute Mehrheit wäre mit keiner der anderen Parteien möglich. Auf einen möglichen Koalitionspartner wollte sich Merz bei der Frage, wenn die Union nächstes Jahr gewinnen sollte, auch nicht festlegen.

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Beim Thema Schuldenbremse fordern Sozialdemokraten sowie Grüne die Abschaffung. Das ist mit einem möglichen Kanzler Friedrich Merz aber nicht zu machen. „Es muss schließlich Mechanismen geben, dass wir mal mit dem Geld auskommen, dass die Steuerzahler in Deutschland bezahlen.“ Da kämen immerhin fast eine Billion Euro jedes Jahr zusammen. „Irgendwie sollte der Staat damit auch mal auskommen“, sagte Merz. Die Schuldenbremse sei mit Konsens in das Grundgesetz aufgenommen werden, „und es sollte bei einer Schuldenbremse bleiben.“

Bezüglich eines Koalitionspartners sagte er dann aber doch lediglich, mit den Grünen sei man etwa bei Außen- und Sicherheitspolitik näher beieinander als mit den Sozialdemokraten. Fest stehe aber, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Nase voll von der „Regierungserfahrung“ der Bundesregierung habe. Und: „Wir wollen regieren“, so der CDU-Parteichef.



Author: RoteRuhrarmee1920

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