Mark Rutte und Kaja Kallas: Ein europäisches Bollwerk gegen Putin


Nach der Einigung mit Ungarn ist es so gut wie sicher, dass der langjährige niederländische Regierungschef Mark Rutte Nachfolger von Jens Stoltenberg als Nato-Generalsekretär wird. Und bei den internen Verhandlungen über die Besetzung der neuen EU-Kommission zeichnet sich ab, dass die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas möglicherweise die neue Außenbeauftragte werden könnte. Damit würden zwei heftige Kritiker Russlands und verlässliche Unterstützer der Ukraine zentrale Posten im westlichen Bündnis bekleiden. Ein doppelter Schlag für Moskau.

Rutte hatte schon länger die Unterstützung einer großen Zahl von Nato-Partnern hinter sich, nur Ungarn, die Slowakei und Rumänien hatten ihn nicht unterstützt. Doch nun ist Ungarn eingeknickt und am selben Tag hat auch die Slowakei ihren Widerstand aufgegeben. Am Donnerstag gab auch Rumänien grünes Licht für Rutte.

Die entscheidende Wende hatte vergangene Woche begonnen, als Rutte Budapest zusicherte, dass er kein ungarisches Geld oder ungarische Soldaten zur Unterstützung der Ukraine einsetzen werde. Am Dienstag hatte Premier Viktor Orbán dann einen Brief Ruttes auf X gepostet, in dem dieser zusichert, sich auch als Nato-Generalsekretär an diese Abmachung zu halten. „Angesichts dieser Zusicherung ist Ungarn bereit, Ministerpräsident Rutte bei seiner Bewerbung um den Posten des Nato-Generalsekretärs zu unterstützen“, schrieb Orban. Somit gilt Ruttes Nominierung als weitgehend gesichert.

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„Mit der Ankündigung von Premierminister Orbán glaube ich, dass wir einem Abschluss sehr nahe stehen, um den nächsten Generalsekretär auszuwählen, und ich glaube, das sind gute Nachrichten“, sagte Nato-Chef Stoltenberg bei einer Pressekonferenz in Washington am Dienstag. Rutte sei ein sehr starker Kandidat, so Stoltenberg. Ebenfalls beworben hatte sich der rumänische Präsident Klaus Iohannis. Diesem war es allerdings nicht gelungen, eine so breite Unterstützerbasis hinter sich zu versammeln wie Rutte. Parallel zum Ende der rumänischen Blockade zog Iohannis seine Bewerbung um den Nato-Spitzenposten zurück. Der bürgerlich-liberale Rutte ist der am längsten dienende niederländische Premier und damit gewohnt, sehr diverse und zersplitterte Koalitionen zusammenzuhalten.

Rutte ist unter den westlichen Staatschefs einer der härtesten Kritiker Russlands und dessen Aggression gegen die Ukraine. Am Samstag war er es denn auch, der im Rahmen der Friedenskonferenz im schweizerischen Bürgenstock die schärfsten Worte fand für Moskaus angebliches „Friedensangebot“, das eher eine Aufforderung zur Kapitulation an die Ukraine war. Der Vorschlag sei „absolut verrückt“, sagte Rutte. Es sei aber ein gutes Zeichen, dass Russlands Präsident ihn überhaupt gemacht habe. „Das zeigt, dass Putin in Panik verfällt“, so Rutte.

Die resolute Unterstützung Ruttes für die Ukraine hat mehrere Ursachen. Sie hat einerseits mit Ruttes freiheitlichen Überzeugungen zu tun, aber auch damit, dass die Niederlande und ihr Premier selbst noch eine Rechnung offen haben mit dem Putin-Regime. Schließlich war es ein russisches Flugabwehrsystem, das im Jahr 2014, während Russlands erstem Krieg gegen die Ukraine, ein in Amsterdam gestartetes Passagierflugzeug der Malaysia Airlines über der Ukraine auf dem Weg nach Kuala Lumpur abschoss. Dabei starben 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder, 193 von ihnen waren niederländische Staatsbürger.

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Und so haben sich die Niederlande nach Russlands erneutem Überfall als eifrige Unterstützer der Ukraine positioniert und zum Teil auch eine Vorreiterrolle gespielt bei der Lieferung neuer westlicher Waffensysteme. Schließlich waren es die Niederlande, die als erste ihre Bereitschaft erklärt hatten, F-16-Kampfflugzeuge an die Ukraine zu liefern und die nun auch die Koalition zur Ausbildung ukrainischer Piloten mit anführen. Rutte hatte nach der russischen Invasion auch die Verteidigungsausgaben der Niederlande auf über zwei Prozent erhöht, um der neuen Sicherheitslage auf dem Kontinent gerecht zu werden.

Der Niederländer wäre auch geeignet, die Nato durch eine etwaige erneute Trump-Präsidentschaft zu bugsieren. So galt Rutte in Trumps erster Amtszeit als einer der wenigen Europäer, dem es gelungen war, ein gutes Verhältnis zu Trump aufzubauen. Rutte wird aller Voraussicht nach auf dem nächsten Nato-Gipfel am 9. bis 11. Juli bestätigt, an dem auch das 75-jährige Jubiläum der Allianz gefeiert wird.

Ein Nato-Generalsekretär Rutte könnte in Zukunft flankiert werden von einer weiteren profilierten Russland-Kritikerin aus Osteuropa. Denn die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas wird derzeit als aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge von Josep Borrell auf dem Posten des EU-Außenbeauftragten gehandelt. Kallas hatte sich zunächst wie Rutte auf den Posten des Nato-Generalsekretärs beworben, war aber unter anderem von Berlin wegen ihrer harten Anti-Russlandpositionen blockiert worden. Ihre Chancen auf den EU-Posten scheinen nun jedoch aussichtsreicher zu sein.

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Munich, Germany 20240217. Estonian Prime Minister Kaja Kallas (left) attends the annual security conference in Munich. Photo: Javad Parsa / NTB

Estlands Premierministerin

Kallas hat sich in den mehr als zwei Kriegsjahren als eine der meistbeachteten Stimmen aus Osteuropa etabliert. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und wird von vielen für ihre klugen Russland-Analysen geschätzt, die geprägt sind von der langen und schmerzhaften Erfahrung osteuropäischer Staaten mit dem russischen Kolonialismus. Kallas weist auch zurecht darauf hin, dass diejenigen in Osteuropa, denen in der Vergangenheit oft antirussische Paranoia vorgeworfen wurde, am Ende mit ihrer Einschätzung zur russischen Gefahr richtig lagen.

Schon im März hatte Kallas in einem Interview mit „Politico“ einen der Top-Jobs in EU oder Nato für Osteuropa gefordert. „Wir sind jetzt seit 19 Jahren Mitglieder von Nato und EU“, sagte Kallas. „Haben wir schlechteres Personal als die alten Europäer? Oder sind wir noch nicht so weit?“ fragte Kallas. „Die Antwort ist Nein, wir haben tatsächlich sehr gutes Personal. Wir sollten auf dem Radar sein für die Spitzen-Jobs.“

Osteuropa-Experte Nico Lange meint, die estnische Politikerin würde „ein gutes Upgrade“ für die Position des Außenbeauftragten bedeuten. „Kaja Kallas wird von vielen geschätzt, weil sie einer jüngeren Generation von Politkern angehört, die unprätentiös, pragmatisch und klar ist“, sagte Lange gegenüber „ntv“. Viele Mittelosteuropäer und Nordeuropäer fühlten sich von Kallas in ihren Positionen vertreten. „Wir brauchen unbedingt mehr Politiker in Top-Positionen, die in ihren 40ern sind, und weniger Männer über 60“, so Lange.

Meloni stellt sich quer

Die Frage ist jedoch, ob bei der komplizierten EU-Arithmetik am Ende tatsächlich der Job der Außenbeauftragten für Kallas herausspringt, oder vielleicht ein anderer Kommissionsposten. Denn die Besetzung der drei Spitzenjobs – EU-Kommissionschef, EU-Ratspräsident und Hoher Beauftragter – ist hart umkämpft zwischen den politischen Fraktionen im EU-Parlament.

Die Wahlgewinnerin EVP kann erneut den Posten der Kommissionschefin für sich in Anspruch nehmen, alles deutet auf eine weitere Amtszeit für Ursula von der Leyen hin. Die bisher von Charles Michel gehaltene EU-Ratspräsidentschaft könnte an den sozialistischen portugiesischen Premier Antonio Costa gehen und der Posten des Außenbeauftragten an die Liberalen, denen auch Kallas angehört. Offenbar wird das aber noch von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni blockiert, die argumentiert, dass ihre rechtskonservative EKR-Fraktion ebenfalls einen Topposten bekommen soll, weil sie im neuen Parlament mehr Abgeordnete stellt als die Liberalen.

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Die Osteuropäer argumentieren hingegen geografisch. Von der Leyen ist altes Westeuropa, Costa würde den Süden vertreten und nun sei auch einmal Osteuropa daran, einen der Top-Jobs zu bekommen. Tatsächlich scheint sich der Widerstand, den Kallas Bewerbung für den Nato-Chefposten noch ausgelöst hatte, inzwischen weitgehend verflüchtigt zu haben.

Eine Nominierung von Kallas für den exponierten Posten der EU-Außenpolitikchefin wäre jedenfalls ein deutliches Signal an Moskau, das die Entschlossenheit der EU demonstrieren würde, die Ukraine weiter langfristig zu unterstützen. Zusammen mit Rutte als Nato-Generalsekretär würde das Duo ein Bollwerk der Ukraine-Unterstützer bilden, das geeignet wäre, auch einer erneuten Präsidentschaft des russlandnahen, Nato- und Ukraine-feindlichen Trump zu trotzen.



Author: RoteRuhrarmee1920

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