Macrons Neuwahl: Frankreichs Parlamentswahl gestartet


Marine Tondelier, Nationalsekretärin der Ökologen, früher bekannt als Europe-Ecologie-Les Verts (EELV), sammelt in einem Wahllokal Stimmzettel für die erste Runde der Parlamentswahlen Frankreich.

Frankreich wählt: Die Grüne Marine Tondelier bei der Stimmabgabe

Quelle: AFP/Sameer Al-Doumy


In Frankreich hat am Sonntag die erste Runde der vorgezogenen Parlamentswahl begonnen. Präsident Emmanuel Macron und seine Kräfte der politischen Mitte müssten sich Umfragen zufolge auf eine empfindliche Niederlage gegen die Rechtsnationalen von Marine Le Pen einstellen.

Die endgültige Entscheidung fällt gemäß dem französischen Wahlsystem in der zweiten Wahlrunde am 7. Juli. Der einstige europäische Hoffnungsträger Macron hofft, die extreme Rechte – und die erstarkte Linke – allen Umfragen zum Trotz doch noch einmal in Zaum zu halten.

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In den französischen Überseegebieten hatte die Stimmabgabe wegen der Zeitverschiebung bereits am Samstagmittag (MESZ) begonnen, im übrigen Frankreich öffneten die Wahllokale am Sonntag um 8 Uhr. Mit ersten Ergebnissen wird gegen 20 Uhr gerechnet.

In Frankreich droht politisches Chaos

Macron hatte nach der deutlichen Niederlage seines Wahlbündnisses und dem Sieg von Le Pens Rassemblement National (RN) bei der Europawahl Anfang Juni die Nationalversammlung aufgelöst und eine vorgezogene Neuwahl angekündigt. Diese Flucht nach vorne könnte aber nach hinten losgehen, mutmaßen Beobachter. Wenn die Rechtspopulisten auch in der Nationalversammlung deutlich dazugewinnen, könnte Macron den erst 28-jährigen RN-Parteichef und Le-Pen-Schützling Jordan Bardella als Premierminister vorgesetzt bekommen.

Die Folge wäre vermutlich ein politisches Chaos, das auch über die Grenzen Frankreichs hinaus Auswirkungen hätte. Macron wäre für den Rest seiner Amtszeit bis 2027 im ständigen Clinch mit einer rechten Regierung, deren politische Vorstellungen von den seinen weit abweichen.

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Bardella kündigte bereits an, als Regierungschef wolle er Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen, um nicht tiefer in den Konflikt mit Russland hineingezogen zu werden. Zuletzt hatten auch Pläne des RN für Kritik gesorgt, Franzosen mit doppelter Staatsbürgerschaft von gewissen Posten in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung auszuschließen.

Rechtspopulisten in Umfragen vorn

Nach den Umfragen liegt der rechtspopulistische RN stabil und mit Abstand vorn: Er konnte sein gutes Ergebnis von der Europawahl sogar noch leicht verbessern und kam zuletzt auf 34 bis 37 Prozent. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront folgte in den Umfragen mit 27,5 bis 29 Prozent der Stimmen. Das Regierungslager von Präsident Emmanuel Macron ist mit 20,6 bis 21 Prozent weit abgeschlagen. 

Frankreich: So steht es in den Umfragen

ZDFheute Infografik

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Nach manchen Umfragen hat der RN sogar Aussicht auf die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Dabei gibt es allerdings noch viele Variablen. 

Es ist damit zu rechnen, dass die Wahlbeteiligung wegen der Bedeutung des Urnengangs Rekordwerte erreicht. Dies dürfte dazu führen, dass mehrere Dutzend Kandidaten bereits in der ersten Runde gewählt werden. Vor der zweiten Runde am 7. Juli stellt sich dann die Frage, wie viele Kandidaten sich möglicherweise zurückziehen, um den Sieg eines RN-Kandidaten zu verhindern.

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Hat Macron die Stimmung im Land falsch eingeschätzt?

Auf der linken Seite des politischen Spektrums führte Macrons Vorstoß für eine Neuwahl dazu, dass sich bisher zersplitterte Parteien zu einem neuen gemeinsamen Bündnis zusammenfanden. Mit Warnungen vor den Extremen auf beiden Seiten versuchten er und seine Mitstreiter, noch einmal Unterstützer zu mobilisieren, um eine Dynamik zu generieren wie bei seiner Wahl zum Präsidenten 2017 und der Wiederwahl 2022. Doch schon bei der letzten Parlamentswahl hatte Macron seine absolute Mehrheit verloren und war in der Nationalversammlung auf andere Parteien angewiesen.

Und nun zogen einige Beobachter bereits Parallelen zwischen Macron und dem früheren britischen Premier David Cameron. Der habe damals die Stimmung im Land ähnlich falsch eingeschätzt wie der französische Präsident jetzt mit der Auflösung der Nationalversammlung. Im Falle Großbritanniens war die Folge der Austritt aus der Europäischen Union, für Frankreich könnte es die erste rechtsnationale Regierung seit der Besatzung durch Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg sein.

Quelle: AFP, AP



Author: RoteRuhrarmee1920

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