Machtpoker mit Le Pen: Macrons letzte Hoffnung sind die Linken


Wer künftig Frankreichs Regierung führt, wird sich im zweiten Wahlgang entscheiden. Um die Rechtspopulisten von Le Pens Partei RN auszubooten, bleiben Präsident Macron wenige Optionen. Die aussichtsreichste ist eine Zusammenarbeit mit dem linken Bündnis – dem Macron skeptisch gegenübersteht.

Der Rassemblement National (RN) feiert seinen Wahlerfolg in Frankreich. Nie zuvor konnten sich die Rechtspopulisten dort eine Mehrheit im ersten Wahlgang sichern. Das Rekordergebnis von 29,3 Prozent der Stimmen lässt RN-Frontfrau Marine Le Pen schon über den kommenden Regierungswechsel frohlocken. “Die Demokratie hat gesprochen”, sagte Le Pen nach der Wahl. “Die Franzosen wollen ein neues Kapitel schreiben.” Noch aber ist es nicht so weit. Zwar ist die Position des liberalen Lagers um Emmanuel Macron geschwächt. Allerdings könnte es im zweiten Wahlgang Bündnisse mit den Linken schmieden, um Le Pen einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Macrons Lager belegt mit 20 Prozent lediglich Platz drei nach dem ersten Wahlgang. Zweitplatzierter ist der linke Zusammenschluss “Front Populaire”, der mit 28 Prozent dem RN auf den Fersen folgt. Nun liebäugeln Liberale und Linke mit einer Kooperation. Vertreter beider Lager hatten erklärt, sie würden bei den Stichwahlen am kommenden Sonntag ihre eigenen Kandidaten in Bezirken zurückziehen, in denen ein anderer Kandidat bessere Chancen hätte, die extreme Rechte zu schlagen.

Diese Möglichkeiten für Ränkespiele eröffnet das Mehrheitswahlrecht in Frankreich. Einen Sitz in der Nationalversammlung kann sich ein Kandidat am ersten Wahlsonntag nur sichern, falls er in seinem Wahlkreis mehr als die Hälfte der Stimmen bekommt. Das gelang nur 38 RN-Kandidaten sowie einem mit ihnen verbündeten Abgeordneten der konservativen Républicains. In allen anderen Wahlkreisen müssen sich die Rechtsextremen einer Stichwahl stellen. Dabei treten jeweils die beiden Bestplatzierten aus der ersten Runde gegen all jene Wahlkreiskandidaten an, die im ersten Wahlgang mehr als ein Achtel der Stimmen erhielten.

Für Le Maire stellt auch Mélenchons Partei “Gefahr” dar

In der Regel einigen sich die Parteien vor dem zweiten Wahlgang auf gemeinsame Kandidaten, sodass meist nicht mehr als drei Bewerber je Wahlkreis antreten. Jetzt diskutieren die Linken und die Liberalen aus, welche Partei in welchen Wahlkreisen zugunsten des anderen Lagers auf Kandidaturen verzichten soll. Zeit für die Entscheidung über die Rücktritte bleibt ihnen noch bis Dienstagabend um 18 Uhr.

Dem linken “Front Populaire” gehören neben Grünen und Sozialdemokraten auch die Linkspopulisten von “La France insoumise” an. Das Bündnis streckt bereits die Hand zu Macrons Lager aus. “Unsere Richtlinie ist einfach und klar: keine einzige Stimme mehr für den Rassemblement National”, sagte Jean-Luc Mélenchon, Gründer von “La France insoumise”. Auch Macron forderte per Pressemitteilung, in der zweiten Wahl nur Kandidaten zu unterstützen, die “klar republikanisch und demokratisch” sind.

Doch speziell Mélenchon gegenüber hat Macron Vorbehalte. Diese sind berechtigt: Mélenchon verachtet nicht nur die Europäische Union und die NATO. Ihm wird von Kritikern auch vorgeworfen, Vorurteile gegen Juden zu schüren. Das zeigte sich bereits nach den Präsidentschaftswahlen 2022. Damals verprellte Mélenchon sogar ihm politisch nahestehende politische Verbündete mit seinen antisemitischen Äußerungen.

Linke und Liberale könnten in 219 Wahlkreisen paktieren

Unter all jenen Macron-Anhängern, die sich offen für einen Pakt mit den Linken zeigen, mischen sich deshalb kritische Stimmen. Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire warnte im Radiosender France Inter auch vor einem Wahlsieg des Linksbündnisses, das er als “Gefahr” bezeichnete. Er werde Wähler zwar ermutigen, Kandidaten linker Parteien in den Bezirken zu wählen, in denen ein Kandidat der Mitte aus dem Rennen ausgeschieden ist. Aber er würde “niemals” dazu aufrufen, Mélenchons Partei zu wählen. Auch Premierminister Gabriel Attal warnte eindringlich vor einem Sieg sowohl der Rechten als auch des Linksbündnisses.

Falls Linke und Liberale sich doch noch einigen können, haben sie die Chance, Le Pens Partei um die absolute Mehrheit zu bringen. Nach Angaben der französischen Tageszeitung “Le Monde” könnten sich in 129 Wahlkreisen, in denen der RN führt, Drittplatzierte aus dem linken Bündnis zugunsten anderer demokratischer Parteien zurückziehen. Das Gleiche gilt für Kandidaten aus dem Macron-Lager in 90 Wahlkreisen. Ein Wahlsieg des RN in der Stichwahl ist in diesen Wahlkreisen dennoch gut möglich.

Falls der RN die absolute Mehrheit holt, müsste Macron den Spitzenkandidaten Jordan Bardella zum Premierminister ernennen. Eine Zusammenarbeit zwischen Macron und Bardella würde sich schwierig gestalten. Bardella wäre dann zuständig für das Tagesgeschäft und innenpolitische Fragen. Macron bliebe nur die Entscheidungsgewalt über die Außen- und Verteidigungspolitik. Unter Macrons Anhängern wächst die Befürchtung, er könne politisch handlungsunfähig werden.

Auch falls keines der Lager die Mehrheit erreicht, kommt auf Frankreich eine politische Krise zu. Die Nationalversammlung wäre zersplittert und blockiert. Macron kann das Parlament erst 2025 wieder auflösen. Das wäre eine willkommene Gelegenheit für die Rechtspopulisten, im Land weiter Stimmung gegen Macron zu machen.



Author: RoteRuhrarmee1920

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