Lehren aus dem Fall Julian Assange: Vergesst Wikileaks!


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Was wir aus der Assange-Affäre lernen sollten: Man sollte Julian Assange nun vergessen und ihm so ein echtes Leben ermöglichen.

Es ist gut, dass die Geschichte nun ein Ende findet. Und erst recht, dass es dieses Ende ist. Jahrelang musste man ertragen, dass eine Generation von „Medienarbeitenden“ Julian Assange als Jesus-Figur des digitalen Zeitalters und als Märtyrer des Journalismus und/oder der Meinungsfreiheit verehrte.

Wohlgemerkt, sie äußerten diese Meinung so, frei wie ihr Idol das getan hat – prinzipiell auf das Gefühl gestützt, es gebe Gut und Böse, und das Böse sei immer im Westen. Meinung ohne Ahnung ist halt billig. Insofern bleibt Assange allen Dauer-Erregten auch ein leuchtendes Vorbild.

Medienarbeitende trugen zur Stilisierung Assanges in der Öffentlichkeit als Jesus-Figur wesentlich bei

Aber zumindest über die absurd langen Jahre in Unfreiheit ist offensichtlich ihm wie seinem Umfeld eine Ahnung davon erwachsen, wie sehr man sich verrennen, sich sogar selbst langsam vernichten kann, wenn man auf einem Freund-Feind-Schema beharrt. Wie einst Clemenceau (paraphrasiert) sagte: Wer mit 16 kein Idealist ist, ist ein Idiot; wer es mit 36 immer noch ist, ist erst recht ein Idiot.

Oder um den großen Literaten Harlan Ellison anzuführen: Niemand hat das Recht auf freie Meinungsäußerung – alle sollten das Recht haben, sich unter Zuhilfenahme möglichst vieler Informationen eine eigene Meinung zu bilden.

Wurde lange als Jesus-Figur verehrt: Julian Assange.
Julian Assange handelte auf den Marianeninseln mit den US-amerikanischen Justizbehörden seine Freilassung und bevorstehende Rückkehr in die Heimat aus. © AFP

Als da wären Informationen wie, dass Journalisten und Journalistinnen, die von den Wikileaks profitierten (Glenn Greenwald beispielsweise), diese als Pressemedium adelten (und damit sich selbst). Selbst wenn journalistischer Ethos dort bloß Lippenbekenntnis war. Eine andere Information: Zwischen 1995 und 2023 kamen mindestens 1900 tatsächliche Presseleute in Ausübung ihres Berufes ums Leben.

Von den Tausenden, die tagtäglich drangsaliert, verfolgt, bedroht, verhaftet und gefoltert werden, ganz zu schweigen. Wikileaks hatte es da immer ausgesprochen bequem. Zumindest bequemer als Menschen wie Chelsea Manning, die Wikileaks erst echtes internationales Renommee verschafft hat.

Assange verdient nach seiner Haft ein ruhiges Leben in Freiheit

Sie wie auch der Whistleblower Edward Snowden wollten die Welt aufklären – er mittels des Guardian – und waren bereit, ihr Leben dazu einzusetzen. Und sie mussten dafür zumindest ihr vorheriges Leben aufgeben. Manning bezahlte ihren Mut noch mit Militärknast – schließlich wurde ihr der nötige Respekt für ihren Mut doch zuteil.

Snowden dagegen lebt nun die trübe, ziellose Existenz eines russischen Staatsbürgers von Putins Gnaden. Muss man Assange verdammen, weil er nichts dergleichen tat? Oder ihn weiter vergöttern, weil er so lange unfrei war? Weder noch. Man sollte ihn vergessen, und ihm so ein echtes Leben ermöglichen. (Peter Rutkowski)



Author: RoteRuhrarmee1920

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