Heftige gegenseitige Kritik: In China steht Habeck plötzlich mitten im Weltensturm


Während seines Peking-Besuchs fällt Robert Habeck unerwartet die Rolle zu, einen Zollkrieg zwischen der EU und China zu verhindern. Oder zumindest einen Beitrag zu einer Annäherung zu leisten. Der Austausch gerät erstaunlich konfrontativ, endet aber mit einem Hoffnungsglimmer.

Robert Habeck kann sich nicht einmal zu einem Lächeln beim Handschlag mit Chinas wichtigstem Wirtschaftspolitiker durchringen. Der Bundeswirtschaftsminister setzt im Zollstreit während seines Peking-Besuches unerwartet deutlich auf Konfrontation. Dort trifft der Vize-Kanzler mit dem Vorsitzenden der Staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), Zheng Shanjie, zusammen. Bei der obligatorischen Begrüßung zeigt Habeck eine versteinerte Miene. Er weiß ja schon, was gleich kommen wird.

Habeck muss während seines ersten China-Besuchs im Namen der gesamten EU deutlich machen, dass es in den gegenseitigen Beziehungen nicht wie bisher weitergehen kann. Offiziell geht es bei diesem ersten politischen Gespräch Habecks mit der chinesischen Seite um den Klimadialog, den Bundeskanzler Olaf Scholz während seines Besuchs mit Staatschef Xi Jinping vereinbart hat. Doch Zheng kommt schnell zu sprechen auf das massiv gestörte Verhältnis zwischen seinem Land und der Europäischen Union.

Die von der EU-Kommission angekündigten Zölle auf chinesische Elektroautos seien “nicht akzeptabel”. Der Vorwurf staatlicher Subventionen und des Abladens von eigenen Überkapazitäten auf dem europäischen Markt sei “absurd”. Später bei einem weiteren Termin Habecks legt Handelsminister Wang Wentao nach: Von Wirtschaft als Waffe sowie von Erpressung spricht Wang laut einer Computer-basierten Übersetzung.

Besuch verläuft anders als Scholz-Visite im April

Ein für Sonntagfrüh angedachtes Treffen mit Premierminister Le Qiang wird kurzfristig am Freitagabend abgesagt. Habeck will das lieber nicht kommentieren. “Fragen Sie die Chinesen”, sagt er dazu während einer Pressekonferenz. Freundlich ist die Geste jedenfalls nicht.

Doch auch Habeck hat keine Samthandschuhe im Reisekoffer. Im Gegenteil: Er wirft den Chinesen wörtlich eine “direkte Unterstützung von der Regierung Putin” durch eine massive Steigerung der Energieimporte aus Russland vor. Hinzu kämen Exporte ziviler Produkte, die direkt für Russlands Rüstungsindustrie genutzt würden. “Unser direktes Verhältnis ist jetzt schon negativ beeinflusst”, sagt Habeck dem ihm gegenübersitzenden Zheng ins Gesicht.

Die chinesische Führung soll verstehen, dass die Unterstützung des russischen Krieges gegen die Ukraine den Preis schlechterer Wirtschaftsbeziehungen zu Europa hat. Er kommt den Chinesen gar nicht erst mit Werten wie Freiheit, Demokratie und Staatenordnung. Er sagt, Russlands Krieg berühre Deutschlands Sicherheitsinteressen. Das ist eine Kategorie, die sie auch in China verstehen sollten.

Habecks Gespräche hinter verschlossenen Türen mit insgesamt drei Regierungsvertretern werden von Teilnehmern als “intensiv” beschrieben. Vor der Presse schont Habeck seine Gastgeber ebenfalls nicht. Es ist ein ganz anderer Auftritt als der des Bundeskanzlers im April. Dieser hatte vor allem für gute wirtschaftliche Beziehungen geworben.

Habeck erzielt kleinen Erfolg in Handelsstreit

Einem ähnlichen Besuch Habecks hat die EU-Kommission einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wenige Tage vor Beginn der langfristig geplanten Asienreise kündigte Brüssel Zollaufschläge auf chinesische Elektroautos an. Die Kommission war zu dem Schluss gekommen, dass China die Hersteller durch staatliche Subventionen über Gebühr unterstütze. “Die europäische Seite denkt, dass China strategisch vorgeht, um einen Markt zu unterminieren”, erläutert Habeck in China.

Er muss plötzlich als Mittler auftreten, ohne für die Kommission verhandeln zu dürfen. Sowohl vor als auch nach seinen Gesprächen in Peking bespricht sich Habeck mit EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Am Ende kann er einen Erfolg vermelden: Handelsminister Wang Wentao erklärt seine Bereitschaft zu direkten Gesprächen mit Dombrovskis. Nun muss sich zeigen, ob China entweder den Subventionsvorwurf widerlegt oder die marktverzerrenden Direktleistungen einstellt.

Habecks Rolle gleicht einem Drahtseilakt: Immer wieder beteuert er, wie sehr ihm und der Bundesregierung jedweder Protektionismus und die immer weitere Zunahme von globalen Handelshemmnissen zuwider sind. Deutschland ist als Exportnation auf offene Märkte angewiesen. Das gilt nicht zuletzt für die so wichtige Autoindustrie, die wegen eines drohenden Zollkrieges Alarm schlägt. Auch von VW oder Daimler in China produzierte Modelle könnten in Europa teurer werden. Peking könnte zudem die besonders profitablen Luxusmodelle aus Deutschland mit zusätzlichen Importzöllen belegen.

Und zu Hause streiten sie sich über den Haushalt

Die Bundesregierung hat also keinerlei Interesse daran, dass die Zölle der EU-Kommission tatsächlich in Kraft treten. Noch weniger aber hat sie ein Interesse an einer Verdrängung deutscher Pkw-Hersteller auch in Europa sowie an einer sich über den Umgang mit China spaltenden EU. Habecks Eindruck einer fehlenden einheitlichen Haltung verleitet ihn, bei einer auf Englisch gehaltenen Ansprache in der deutschen Botschaft in Peking ein “Update” für die deutsche China-Strategie zu fordern.

Diese war erst im Sommer 2023 unter großen Mühen unter Führung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock geeint worden. Habeck stellt in der Botschaft fest, der Strategie fehle eine Vision von den künftigen Beziehungen zu China sowie eine europäische Perspektive. Hat Habeck so nebenbei das Werk seiner Parteikollegin und potenziellen Rivalin um eine Kanzlerkandidatur infrage gestellt? Nein, sagt Habeck später auf Nachfrage. Ihm gehe es lediglich um eine Ergänzung der deutschen Strategie um einen gemeinsamen Ansatz der EU-Länder.

Auch aus dem fernen Peking kann ein Bundesminister leicht Unruhe in Berlin auslösen. Zumal ihn die Probleme der eigenen Regierung ohnehin bis nach Ostasien folgen: Parallel zu Habecks Reise dauern die Verhandlungen der Ampel über den Haushalt 2025 an. Es ist längst nicht geklärt, wie lange die Koalition überhaupt noch hält.
Doch wie klein mögen Habeck die Aufregung um seine Strategie-Äußerungen oder den Haushalt erscheinen angesichts seiner plötzlichen Aufgabe, einen Handelskrieg zwischen Europa und China zu verhindern? Und wie sehr darf er sich selbst für die Ankündigung direkter Gespräche mit der EU feiern, wo doch niemand in Europa die internen Entscheidungslogiken der chinesischen Regierung wirklich kennt? Um einen harten Zollstreit jetzt noch zu verhindern, müssten beide Seiten miteinander reden, sagt Habeck am Ende eines langen Tages in Shanghai. “Dieses Miteinander-Reden hat vielleicht mit dem heutigen Tag einen Impuls bekommen.”



Author: RoteRuhrarmee1920

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