Große Zustimmung zu Spitzenposten für von der Leyen, Costa und Kallas


Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten haben sich am späten Donnerstag über die Besetzung der EU-Spitzenposten verständigt. Sie nominierten Ursula von der Leyen (CDU) für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren; sie wird sich Mitte Juli im Europäischen Parlament zur Wahl stellen. Neuer Präsident des Europäischen Rats wird der frühere portugiesische Regierungschef António Costa, der Sozialdemokrat löst am 1. Dezember Charles Michel ab. Außenbeauftragte wird die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas, eine liberale Politikerin.

Auf dieses Personalpaket hatten sich Unterhändler der drei politischen Familien am Dienstag verständigt. Es wurde von 25 Mitgliedern des Rats angenommen. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán stimmte komplett dagegen. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni enthielt sich zu von der Leyen, lehnte aber die beiden anderen Personalien ab, wie Diplomaten der F.A.Z. berichteten. Beide Politiker gehören nicht den drei Familien an, sie hatten den Spitzenkandidaten-Prozess und die Vorentscheidung am Dienstag als undemokratisch kritisiert. Für die Entscheidung im Europäischen Rat reichte die Mehrheit von 20 Staaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.

Meloni wahrt Chance zur Mitgestaltung

Die Koalition der drei großen europäischen Parteienfamilien schaue weder auf die schlechte Performance der vergangenen fünf Jahre, noch auf das Programm für die kommende Legislaturperiode, sagte Orbán am Rande des Treffens in Brüssel. „Es geht nur um Machtteilung“, so Orbán. „Wir können das nicht unterstützen“, sagte er weiter. „Das ist eine Koalition der Lüge und Täuschung.“

Meloni bewahrte sich mit ihrer Enthaltung zu von der Leyen die Chance, weiter eine gestaltende Rolle zu spielen. Das betrifft sowohl den italienischen Posten in der nächsten EU-Kommission als auch die Mehrheitsbildung im Parlament, wo es große inhaltliche Überschneidungen zwischen den Christdemokraten von der Europäischen Volkspartei (EVP) und der nationalkonservativen Fraktion Europäische Konservative und Reformer (EKR) gibt.

Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigte das Vorgehen der großen Parteienfamilien bei der Nominierung der EU-Spitzenposten. Der Europäische Rat habe einen Vorschlag machen müssen, der im Parlament auch eine Mehrheit finden könne, sagte er. „Das haben wir heute geschafft. Hoffen wir.“ Er zeigte sich zuversichtlich, dass von der Leyen für eine weitere Amtszeit gewählt wird. „Die Präsidentin hat ja doch einen ganz guten Ruf im Parlament“, sagte der SPD-Politiker.

„Neue Wege“ in der Migrationspolitik

Die Staats- und Regierungschefs hatten sich zuvor auf ihre politischen Prioritäten für die nächsten fünf Jahre verständigt. Demnach wollen sie die Rüstungsindustrie stärken und gemeinsame „Leuchtturm-Projekte“ verwirklichen, die der gesamten Union nutzen. Im Kampf gegen irreguläre Migration wollen sie „neue Wege“ prüfen, etwa die Ausgliederung von Asylverfahren in sichere Drittstaaten. Der Pfad zu einer klimaneutralen Union im Jahr 2050 soll „pragmatisch“ sein. Bürokratische Hindernisse sollen „ambitioniert vermindert“ werden.

Deutschland und Frankreich konnten sich nicht mit Änderungswünschen durchsetzen. Unter anderem wollten Bundeskanzler Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron den Verweis auf „Leuchtturm-Projekte“ streichen und Lockerungen bei den Regeln für staatliche Beihilfen durchsetzen. Dies lehnte die deutliche Mehrheit der Regierungschefs ab. Man habe sich in etlichen Sitzungen auf einen Kompromisstext geeinigt, die Textarbeit solle nicht von den Regierungschefs gemacht werden – so gab ein EU-Vertreter den Tenor der Debatte wieder.

Scholz sagte, die strategische Agenda hätte aus seiner Sicht ambitionierter sein können. „Das ist jetzt ein gutes Dokument und man kann es natürlich besser machen.“ Deutschland hätte bei der Wettbewerbsfähigkeit, bei der Entwicklung des europäischen Kapitalmarktes, bei Klimafragen und der industriellen Modernisierung gern mehr erreicht. „Da haben wir gedacht, das wäre doch vielleicht eine gute Sache, aber alle waren jetzt froh, dass sie überhaupt was hatten. So ist es dann.“ Nicht akzeptiert habe Deutschland gemeinsame Schulden, sogenannte Eurobonds, zur Rüstungsfinanzierung und die Refinanzierung nationaler Verteidigungshaushalte aus dem Budget der Europäischen Union.



Author: RoteRuhrarmee1920

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