Frankreich: Neue Volksfront bekennt sich im Wahlprogramm zu Krieg und Polizeistaat


Die Neue Volksfront (NFP), die von Jean-Luc Mélenchons „populistischer“ Partei La France insoumise (LFI, Unbeugsames Frankreich) gegründet wurde, hat ihr Programm für die vorgezogenen Wahlen in Frankreich am 30. Juni und 7. Juli in einer Sonderausgabe der stalinistischen Tageszeitung L’Humanité veröffentlicht.

Jean-Luc Mélenchon bei einer politischen Kundgebung am Samstag, den 25. Mai 2024, in Aubervilliers in der Nähe von Paris [AP Photo/ Aurelien Morissard]

Die zentralen Themen in der vorgezogenen Neuwahl, die Macron nach einem deutlichen Zuwachs für die Rechtsextremen in der Europawahl am 9. Juni angesetzt hatte, sind Krieg und die Gefahr einer rechtsextremen Regierung. Der rechtsextreme Rassemblement National (RN, Nationale Sammelbewegung) steht an den Toren der Macht, wobei Umfragen derzeit zeigen, dass er eine Mehrheit in der Nationalversammlung nur knapp verfehlt. Unmittelbar nach den vorgezogenen Neuwahlen in Großbritannien am 4. Juli und den französischen Neuwahlen am 7. Juli wird die Nato am 9. Juli in Washington ein Gipfeltreffen abhalten, um eine massive Eskalation des Kriegs mit Russland vorzubereiten.

In diesen entscheidenden Fragen bietet die NFP den Arbeitern keine Alternative zu Macrons Polizeistaatsregime oder dem RN. Die NFP selbst behauptet, es sei ein „Programm, das mit der Politik von Emmanuel Macron bricht“ und verurteilt die „rassistische soziale Sparpolitik der extremen Rechten“. Allerdings ist die NFP ein Bündnis aus der LFI, der Parti socialiste (PS, Sozialistische Partei) des Großkapitals, der stalinistischen Parti communiste français (PCF, Kommunistische Partei Frankreichs) den Grünen und der pablistischen Nouveau Parti anticapitaliste (NPA, Neue Antikapitalistische Partei).

Das von der Neuen Volksfront verabschiedete Programm bestätigt, dass sich diese Parteien an der rechten Neugestaltung der französischen Politik beteiligen, welche die herrschende Klasse durch die vorgezogenen Neuwahlen durchsetzen will, um die militärische Eskalation im Ausland und den Klassenkampf im Inland vorzubereiten. Das Programm fordert die Entsendung von Truppen in die Ukraine und die Stärkung des Militärs, der Polizei und der Geheimdienste.

Das Programm der NFP spiegelt nicht die Interessen der Arbeiterklasse wider, sondern die der Klassenbasis ihrer Mitgliedsparteien. Die NFP ist nicht die Volksfront der 1930er-Jahre, zu der die sozialdemokratische und eine stalinistische Partei gehörten, die beide eine Massenbasis in der Arbeiterklasse hatten. Die soziale Basis der NFP ist ein Bündnis zwischen der Bourgeoisie und begüterten Schichten des Kleinbürgertums im akademischen Milieu und der Gewerkschaftsbürokratie, deren Grundlage Identitätspolitik auf der Basis von Ethnie und Gender ist.

In dem halben Jahrhundert seit dem Ausverkauf des Generalstreiks vom Mai 1968 durch die PCF hat die herrschende Klasse gewaltige Mittel aufgewendet, um diese Kräfte als die „Linke“ zu propagieren. Doch die PS, die PCF und die Grünen haben wiederholt (1981–1995, 1997–2002 und 2012–2017) Regierungen gebildet, die Krieg geführt und den Lebensstandard gesenkt haben. Die Gründung der Neuen Volksfront ist eine Warnung: Pseudolinke Nachkommen der Renegaten vom Trotzkismus wie LFI und die NPA sind ebenfalls bereit, dieses Programm umzusetzen, einschließlich des Kriegs gegen Russland, der zum Einsatz von Atomwaffen zu führen droht.

Der Imperialismus steuert auf eine Katastrophe zu. Unter Arbeitern und Jugendlichen in Frankreich und allen Nato-Staaten herrscht tief verwurzelte Opposition gegen die Eskalation des Kriegs gegen Russland, den Völkermord in Gaza und gegen die neofaschistische Herrschaft. Egal welche Regierung aus den französischen Neuwahlen hervorgeht, selbst wenn die NFP daran beteiligt sein sollte, sie wird auf Kollisionskurs mit der Arbeiterklasse gehen.

Doch der Krieg, der Aufstieg des RN und dessen Förderung in den kapitalistischen Medien müssen als Warnung verstanden werden: Spontaner Widerstand in Form von Streiks und Protesten wird die nächste Regierung nicht besiegen. Die herrschende Klasse arbeitet unermüdlich daran, sicherzustellen, dass die Neofaschisten von den Verrätereien der PS, LFI und ihrer Verbündeten und der Verbitterung profitieren, die sie in der Arbeiterklasse auslösen. Die Arbeiterklasse steht einer herrschenden Klasse gegenüber, die entschlossen ist, gegen den Willen der Bevölkerung Krieg zu führen und einen faschistischen Polizeistaat einzusetzen, um den Widerstand der Bevölkerung zu unterdrücken.

Die Neue Volksfront preist den Frieden, befürwortet aber den Krieg gegen Russland

Das Programm der NFP proklamiert die „Dringlichkeit von Frieden“, unterstützt jedoch Macrons Forderung, französische Truppen in die Ukraine zu schicken, die von der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. Es verspricht, „den Angriffskrieg von Wladimir Putin schachmatt zu setzen“ und fordert die „Verteidigung der Souveränität und Freiheit des ukrainischen Volks und die Unverletzlichkeit seiner Grenzen“. Sie fordert die „notwendige Lieferung von Waffen [an die Ukraine] und die Entsendung von Friedenstruppen, um Atomkraftwerke zu verteidigen“.

Das ist ein zynischer Versuch, die Öffentlichkeit in Sicherheit zu wiegen, während die Nato eine katastrophale Eskalation des Kriegs vorbereitet. Laut einer Umfrage der Eurasia Group wollen 94 Prozent der Amerikaner und 88 Prozent der Westeuropäer den Krieg in der Ukraine durch eine Verhandlungslösung beenden. Doch genau wie die herrschende Klasse versucht die NFP, für die geplanten Plünderungskriege der Nato einen Deckmantel zu finden, wie z. B. „Friedenssicherung“.

Sollten französische Truppen in die Ukraine entsandt werden, dann werden sie nicht zur Friedenssicherung eingesetzt. Sie werden sich an einem verheerenden Krieg beteiligen, der bereits mehr als eine halbe Million Menschenleben gefordert hat, während Macron und seine Nato-Verbündeten die imperialistische Neuaufteilung der Welt vorantreiben, die sie in der gesamten postsowjetischen Ära durchsetzen wollten.

Die PS und die PCF können auf eine lange Geschichte des Militarismus zurückblicken, seit die stalinistische Auflösung der Sowjetunion 1991 das wichtigste politisch-militärische Hindernis für neokoloniale Kriege beseitigt hat. Dazu gehören die Teilnahme am Golfkrieg gegen den Irak 1991, die Nato-Invasion in Afghanistan 2001 und die Kriege in Libyen, Syrien und Mali in den 2010er-Jahren. Bezeichnenderweise schweigt sich das Programm der NFP darüber völlig aus, obwohl Frankreich seit über einem Jahrzehnt in Militäroperationen in Syrien und Afrika verwickelt ist.

Putins Einmarsch in die Ukraine war zweifellos reaktionär und muss abgelehnt werden, aber die Arbeiterklasse kann nicht entscheiden, wie sie auf den Nato-Krieg gegen Russland reagieren soll, wenn sie nur fragt, wer den ersten Schuss abgegeben hat. Um eine noch größere Katastrophe zu verhindern und den Krieg zu beenden, muss sie sich vor allem einer weiteren Eskalation durch die imperialistischen Nato-Mächte widersetzen.

Die Behauptung der NFP, in diesem Krieg gehe es um den Schutz der „Freiheit“ in der Ukraine, ist eine Lüge. Das ukrainische Regime ist eine von der Nato unterstützte Diktatur. Sein Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Wahlen ausgesetzt, und sein Regime besteht aus Verehrern des Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera aus dem Zweiten Weltkrieg. Oppositionsparteien sind verboten, und das Militär betreibt Zwangsrekrutierung von Zivilisten. Die Nato kämpft in der Ukraine nicht für Freiheit, sondern benutzt die Ukraine für ihren imperialistischen Krieg gegen Russland.

Der polnische Präsident Andrzej Duda hat beim letzten Ukraine-Gipfel in der Schweiz die Ziele der Nato im Krieg gegen Russland ganz offen dargelegt. Unter dem betrügerischen Banner des Kriegs gegen „Kolonialismus“ erklärte er, in der modernen Welt gäbe es „keinen Platz mehr“ für Russland, und forderte seine Aufteilung in 200 Kleinstaaten, die vom Imperialismus beherrscht werden könnten. Duda erklärte:

Russland wird oft das Gefängnis der Nationen genannt, und das mit gutem Grund. In dem Land leben mehr als 200 Ethnien, von denen die meisten aufgrund ähnlicher Methoden zu Einwohnern Russlands wurden, wie das Land sie heute in der Ukraine anwendet. Russland ist auch heute noch das größte Kolonialreich der Welt, hat aber im Gegensatz zu den europäischen Mächten nie den Prozess der Entkolonialisierung durchlaufen und war nie in der Lage, sich mit den Dämonen seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. In der heutigen Welt gibt es keinen Platz mehr für Kolonialismus.

Damit wird das reaktionäre kapitalistische Regime, das in Russland durch die stalinistische Auflösung der Sowjetunion entstanden ist, nicht von links, sondern von rechts kritisiert.

Die Nato, die in ihren Dokumenten eine „strategische Niederlage“ Russlands fordert, verfolgt eine verzweifelte Strategie zur Eroberung der Welt. Sie versucht durch Krieg den seit langem anhaltenden Niedergang der wirtschaftlichen Position der imperialistischen Nato-Mächte auszugleichen. Zu diesem Zweck will sie in Moskau einen Regimewechsel erzwingen, Russland aufteilen, sein Öl und seine strategischen Mineralien plündern, es zur Rücknahme seiner militärischen Unterstützung für Syrien und andere von der Nato ins Visier genommene Länder zwingen und es als Basis für einen neokolonialen Krieg gegen China benutzen.

Weder der französische, noch der europäische Kapitalismus hat den Prozess der Entkolonialisierung durchgemacht oder sich „mit den Dämonen seiner Vergangenheit“ auseinandergesetzt. Die neokoloniale Kriegsoffensive der europäischen imperialistischen Mächte an der Seite Washingtons geht Hand in Hand mit der Verankerung von Neofaschismus und der Unterstützung von Völkermord im Zentrum der offiziellen europäischen Politik. Arbeiter und Jugendliche müssen vor der Gefahr einer Eskalation gewarnt werden und sowohl den Krieg der Nato gegen Russland als auch die Unterstützung der Neuen Volksfront dafür entschieden ablehnen.

Völkermord in Gaza: Mélenchon distanziert sich von seiner Kritik

Die völlig reaktionäre Haltung der NFP zum Völkermord in Gaza ist das Ergebnis von Mélenchons Strategie der endlosen Zugeständnisse an die PS und den Imperialismus. Als er die NFP ankündigte und der PS öffentlich ein Bündnis anbot, verkündete er: „[Wir] werfen unsere Differenzen über Bord.“ Ein Ergebnis davon ist die völlig reaktionäre Position der NFP zum Völkermord in Gaza, die sich mit der langjährigen Unterstützung der PS-Regierungen für das israelische Regime deckt.



Author: AFP Deutschland

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