Extremismus am rechten und linken Rand


Die Ergebnisse der Wahlen in Frankreich klingen nicht katastrophal, aber 33 Prozent könnten dem Rassemblement National (RN) die absolute Mehrheit verschaffen, dank Allianzen in der zweiten Runde, so ist das französische Mehrheitswahlrecht konzipiert. Würde Jordan Bardella Premierminister werden, wäre das ein brutaler Einschnitt. Die Entgleisungen der vergangenen Wochen haben leider gezeigt, dass die Befürchtungen zutreffen: Marine Le Pens Truppe hat nur Kreide gefressen. Umso unverzeihlicher ist, wie Regierungsparteien und Vertreter der Zivilgesellschaft mit dem RN umgehen.

Patrick Martin, Präsident der Arbeitgeberorganisation Medef, hatte den rechten RN und die Linkskoalition Nouveau Front populaire (NFP) mit derselben Etikette „Extremismus“ abgefertigt. Dagegen haben sich mehr als tausend Absolventen von Wirtschafts-Eliteschulen gewehrt. Ähnliches wie von Martin konnte man vom bürgerlichen Politiker Jean-François Copé (Les Républicain, LR) am Wahlabend hören: Man müsse sowohl das rechte als auch das linke Ex­trem meiden. Manche Zentristen haben, im Versuch, das Zentrum zu besetzen, RN und NFP ebenfalls gleichgesetzt, ­gemäß der gescheiterten „Weder-noch“-Taktik von Präsident Emmanuel Macron.

Agitatorisch, unseriös und polemisch

Den linken Extremismus betreffend, zielt das auf La France insoumise (LFI), die populistische Partei von Jean-Luc Mélenchon, die sich am äußeren Rand des NFP befindet. Tatsächlich hat sich LFI in der Nationalversammlung agitatorisch, undiszipliniert und polemisch gezeigt. Der Europa-Wahlkampf war von propalästinensischen Forderungen geprägt, in der Hoffnung, die Stimmen arabischstämmiger Wähler zu gewinnen; antisemitische Töne inbegriffen. Mélenchon hofiert Autokraten wie Wladimir Putin oder ­Nicolas Maduro (Venezuela). Das Programm der Partei ist im Wesentlichen, Reiche zu besteuern und Wohltaten zu verteilen. Es ist finanziell unseriös und marktfeindlich, populistisch eben. Innerparteilich ist LFI auf Mélenchon zugeschnitten – Fairness und Transparenz sind Nebensache.

Zentral ist jedoch, dass LFI nicht so weit links steht wie der RN rechts; insgesamt ist die Partei verfassungstreu. Der RN hingegen ist aus dem Front National hervorgegangen, einer Gruppierung von Antidemokraten, Kollaborateuren und Faschisten; der langjährige Präsident Jean-Marie Le Pen ist ein verurteilter Schoa-Relativierer. Dass sich die Partei trotz Generationswechsel und Namensänderung treu geblieben ist, hat Premierminister Gabriel Attal vorgeführt: Im Fernseh-Duell mit Bardella listete er RN-Politiker auf, die Rassisten, Antisemiten, Homophobe sind, wie Gilles Bourdouleix, Bürgermeister von Cholet.

Die Projekte des Rassemblement National sind haarsträubend; sie widersprechen französischem und europäischem Recht. Bardella will Besitzer doppelter Staatsbürgerschaften von Verantwortungsposten ausschließen; betroffen wären davon mehr als drei Millionen Franzosen. Auch die nationale Präferenz beim Zugang zu Sozialleistungen oder -wohnungen ist mit der Verfassung unvereinbar. Ähnliches gilt für die Abschaffung des Geburtsort- zugunsten des Abstammungsprinzips oder für Le Pens Überlegungen zu den Vorrechten eines Premierministers. Bei entsprechenden Gesetzesprojekten sind Konflikte mit dem Staatsrat absehbar – der allerdings, wie der Staatsrechtler Serge Slama einwendet, in der Geschichte oft eingeknickt ist.

Seit der Stichwahl zwischen Jacques Chirac und Jean-Marie Le Pen 2002 ist es Teil des Kalküls, sich über die Ablehnung der Rechtsextremen wählen zu lassen. Das ist gefährlich, weil es den Eindruck eines Kartells erzeugt; vor allem lädt es dazu ein, die andere Option auszuprobieren. Der dies ermöglichende Gewöhnungseffekt entsteht nur, weil niemand mehr ernst nimmt, was der RN von sich gibt. So abstoßend Mélenchons Populismus ist, so wenig darf aus dem Blick geraten, dass nur eine Partei systematisch demokratische Rechte und Institutionen zerstören will.



Author: RoteRuhrarmee1920

Kommentar verfassen