Deutsche Bahn: Im Fernverkehr drohen steigende Preise – Wirtschaft


Eigentlich wollten die Verkehrspolitiker am Mittwochmorgen über Stuttgart 21 reden. Dafür gibt es gute Gründe. Das Giga-Bauprojekt wird teurer als geplant, kommt später als geplant – und könnte noch teurer werden und noch später kommen. Da kann man schon mal beim zuständigen Bahnvorstand Berthold Huber nachfragen, dachten sich die Verkehrspolitiker, und luden ihn in aller Herrgottsfrühe zu einer Sondersitzung.

Als dieser nach zwei Stunden gemeinsam mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion, Ulrich Lange, den Sitzungssaal verlässt, ist jedoch etwas ganz anderes Thema. Ob Huber schon den Spiegel-Bericht gelesen habe, fragt Lange. Der Bahnvorstand verneint. Ob es denn stimme, dass die Bahn plane, vor allem in Ostdeutschland Fernzüge zu streichen, fragt Lange weiter. Huber zieht die Augenbrauen hoch. „Es gibt auch Tage, an denen ich froh bin, Vorstand für die Infrastruktur und nicht für den Fernverkehr zu sein“, sagt Huber.

Ein paar Stunden später äußert sich dann jener Fernverkehrsvorstand Michael Peterson – und dementiert den Bericht des Spiegel. „Es gibt aktuell keine konkreten Pläne zur Streichung der genannten Fernverkehrsverbindungen“, sagt Peterson. Die Planungen für den Fahrplan des Jahres 2025 seien seit April abgeschlossen, das in dem Medienbericht zitierte Dokument sei von Februar. „Dieser Fahrplan sieht derzeit keine der genannten Angebotskürzungen vor.“

Das Trassenpreis-System ist aus dem Ruder gelaufen

Was nicht heißt, dass Peterson nicht trotzdem ein Problem hat. Immerhin: Er hat es nicht allein. Der Manager teilt es sich mit DB-Cargo-Vorständin Sigrid Nikutta und mehreren hundert kleinen bis mittelgroßen Güterbahn-Chefs. Das Problem heißt: Trassenpreise.

Alle Unternehmen, die das deutsche Schienennetz nutzen wollen, müssen dafür ein paar Euro Gebühr pro Kilometer zahlen. Dahinter steckt das sogenannte „Verursacherprinzip“: Wer die Gleise verschleist, soll dafür aufkommen. Gleichzeitig aber pumpt der Bund die Bahn mit neuem Eigenkapital voll. Damit das schuldenbremsenneutral vonstattengeht, will er im Gegenzug auch mehr Rendite, es werden also mehr Zinsen fällig. Und auch dieses Geld holt sich die Bahn über die Trassenpreise.

Das System ist mittlerweile längst aus dem Ruder gelaufen. Im kommenden Jahr sollen die Trassenpreise im Fernverkehr um 17,7 und im Güterverkehr um 16,2 Prozent steigen. Das entspricht 52 Cent mehr pro Kilometer und läppert sich. Für das darauffolgende Jahr 2026 sieht es noch bitterer aus: Die Kosten bei der DB Infrago, der gemeinwohlorientierten Bahn-Tochter, die das Netz betreibt und die Schienenmaut einsammelt, explodieren. Im Raum stehen Preissteigerungen für die Bahnunternehmen von bis zu 50 Prozent. Kein Wunder, dass bereits eine Reihe von ihnen gegen die erste, bereits feststehende Erhöhung für 2025 klagt. Dass die Deutsche Bahn im gleichen Kontext ins Spiel bringt, gewisse IC-Verbindungen einzustellen, wenn die Trassenpreise so steigen wie geplant, ist vor allem als politische Drohung zu verstehen und weniger als konkreten Plan des Konzerns. Von „Wollen“ kann nämlich dort keine Rede sein.

Klar ist aber auch: Wenn die geplanten Erhöhungen tatsächlich kommen, wird sich das auf den Transport von Gütern und Bürgern auf der Schiene auswirken. Beides wird perspektivisch teurer. Um nicht auf den Kosten sitzenzubleiben, müssen die Firmen die Preise auf die Kunden umlegen oder unrentable Fahrten streichen. „Je nach Höhe der zusätzlichen Belastungen sind wir gezwungen, den Umfang unseres Fahrplanangebotes bundesweit zu überprüfen“, gibt Peterson zu. Eine Erhöhung der Ticketpreise ist einer Bahn-Sprecherin zufolge „unumgänglich“, wenn die geplanten Erhöhungen tatsächlich so kommen.

Für höhere Ticketpreise spricht auch, dass zahlreiche deutsche Politiker die vermeintlichen und mittlerweile dementierten Bahn-Pläne umgehend ablehnten. Grünen-Parteichef Omid Nouripour etwa bezeichnete sie als „nicht hinnehmbar“. „Wir werden miteinander zusammen mit dem Verkehrsminister alles daransetzen, dass das nicht passiert“, sagte er. Der weilt noch in China, sieht das einem Ministeriumssprecher zufolge aber genauso: Der Bund habe demnach ein Interesse daran, „dass keine Region abgehängt wird“. Steigende Ticketpreise sind zwar auch nicht gerade beliebt – aber in diesem Fall wohl das kleinere Übel.



Author: RoteRuhrarmee1920

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