Cum-Ex-Skandal: Verfahren gegen früheren Chef der Warburg-Bank eingestellt – Wirtschaft


Das Verfahren wegen schwerer Steuerhinterziehung gegen den ehemaligen Chef der Hamburger Warburg-Bank Christian Olearius wird eingestellt. Das entschied das Landgericht Bonn am Montagnachmittag, es wertet die angeschlagene Gesundheit des 82-Jährigen als dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit und Prozesshindernis. Zuvor war eine Einstellung des Verfahrens bereits absehbar. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten dies beantragt.

In dem nun mit einem Einstellungsurteil zu Ende gegangenen Prozess hatte die Staatsanwaltschaft dem Bankier aus Hamburg schwere Steuerhinterziehung in 14 Fällen vorgeworfen, bei zwei davon soll es beim Versuch geblieben sein. Zwischen 2006 und 2019 soll er den Fiskus mit seinen Komplizen so um Steuereinnahmen von 280 Millionen Euro gebracht haben. Bei einer Verurteilung hätte Olearius eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren gedroht.

Eine Einstellung des Verfahrens lässt die Schuldfrage unbeantwortet. Olearius bestritt stets alle Vorwürfe, auch am Montag äußerte er sich dahingehend vor Gericht. Offen ist derzeit, wie es mit einer möglichen Strafzahlung von etwa 40 Millionen Euro weitergeht. In dieser Höhe soll Olearius von den Deals profitiert haben.

Staatsanwaltschaft kündigt Revision an

Noch im Gerichtssaal hat die Staatsanwaltschaft angekündigt, in Revision zu gehen. Oberstaatsanwältin Stephanie Kerkering begründete den Schritt damit, dass man sich den Weg zur Überleitung eines Einziehungsverfahrens offenhalten wolle. Mit einem solchen könnte man Olearius zum Zahlen der Taterträge bringen, ohne dass es erneut um die Schuldfrage ginge.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft bereits beantragt, den Prozess in ein Einziehungsverfahren überzuleiten und dadurch gewissermaßen vom Strafverfahren abzukoppeln. Das lehnte das Gericht in der vergangenen Woche aber ab und wies darauf hin, dass die Ankläger hierzu bislang nicht fertig ermittelt hätten.

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Olearius ist der prominenteste deutsche Bankier, der wegen der sogenannten Cum-Ex-Deals vor Gericht stand. Jenen Geschäften also, bei denen findige Banker mehrere Geldhäuser, Anwälte und Berater mit Aktien über den Dividendenstichtag handelten und sich dabei am Ende Steuern erstatten ließen, die sie zuvor gar nicht gezahlt hatten. Steuerfahnder schätzen, dass der Fiskus damit insgesamt einen Schaden von mehr als zehn Milliarden Euro erlitten haben könnte. Cum-Ex gilt als der größte deutsche Steuerskandal.

Vor rund 15 Jahren kamen Fiskus und Staatsanwälte den Deals auf die Spur, seit 2019 werden die Cum-Ex-Deals vor Gericht verhandelt. Seither hat die Warburg-Bank mehr als 240 Millionen Euro ans Finanzamt gezahlt. Zwei Ex-Warburg-Manager erhielten hohe Haftstrafen. Der Bundesgerichtshof hat solche Geschäfte zulasten des Fiskus als strafbar bewertet. Zu Cum-Ex hat es am Bonner Landgericht seit 2020 bereits acht Schuldsprüche gegeben, eine Vielzahl an Verfahren dürften in den kommenden Jahren noch folgen.

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Einst war Christian Gottfried Olearius, wie er vollständig heißt, einer der wichtigsten Bankiers Deutschlands. Er galt als Helfer in schwierigen Situationen, gern gesehener Gesprächspartner der Politik und das Idealbild eines hanseatischen Kaufmanns. Dass der Prozess in Bonn allerdings so viel Öffentlichkeit auf sich zog, lag nicht nur am Privatbankier und Elbphilharmonie-Mäzen selbst, sondern auch an dessen Kontakte zum jetzigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Zu Scholz‘ Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg hatte sich Olearius mehrmals mit dem Politiker getroffen, auch in den Jahren 2016 und 2017, also ausgerechnet in der Zeit, in der die Steuerbehörde in Hamburg auf eine Rückforderung von der Warburg-Bank in Höhe von 47 Millionen verzichtete. Olearius notierte diese Treffen in seinen Tagebüchern und brachte den jetzigen Bundeskanzler damit politisch in Bedrängnis.

Union fordert Cum-Ex-Untersuchungsauschuss im Bundestag

Worum es bei diesen Treffen im Detail ging, ist bislang nicht bekannt. Öffentlich hat sich Olearius bisher nicht dazu geäußert, Scholz bestreitet eine mögliche Einflussnahme auf das Steuerverfahren und kann sich an Details der Treffen eigenen Aussagen zufolge nicht erinnern.

In der Hansestadt läuft zu der Frage derzeit ein Untersuchungsausschuss, bei dem sowohl Kanzler Scholz als auch dessen Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt bereits ausgesagt haben. Die Union fordert einen Untersuchungsausschuss im Bundestag, die Ampelregierung wehrt sich dagegen. Derzeit liegt der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht.



Author: RoteRuhrarmee1920

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