Cum-ex-Prozess gegen Christian Olearius eingestellt


Das Cum-ex-Strafverfahren gegen den früheren Chef der Hamburger Warburg-Bank Christian Olearius ist eingestellt. Das Bonner Landgericht wertete am Montag die angeschlagene Gesundheit des 82-jährigen Olearius als dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit und Prozesshindernis. Zuvor hatten sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung die Einstellung des Verfahrens beantragt. Überraschend aber legte die Staatsanwaltschaft dann am Montag noch im Gerichtssaal Revision ein.

Das Bonner Gericht hatte ein medizinisches Gutachten eingeholt. Demnach ist Olearius wegen eines Blutdruckleidens nur zu 45 Minuten Verhandlung am Tag in der Lage, der Prozess hätte daher mindestens bis zum Frühjahr 2025 gedauert.

Das nun am Montag von Richterin Marion Slota-Haaf in Bonn gesprochene Einstellungsurteil lässt die Schuldfrage unbeantwortet. Der von der Verteidigung erhoffte Freispruch bleibt damit aus. Allerdings werden die Kosten nicht geteilt, vielmehr muss die Staatskasse die Kosten des Verfahrens tragen, auch die „notwendigen Auslagen“ des Angeklagten Olearius. Dieser hatte sich von mehreren namhaften Anwälten vertreten lassen, darunter Peter Gauweiler. Was von diesen Kosten notwendig und damit erstattungsfähig ist, werde noch geprüft, hieß es auf Anfrage der F.A.Z. vom Landgericht Bonn.

Der Mehrheitsgesellschafter der Privatbank M.M. Warburg & Co hat vor Gericht mehrfach seine Unschuld beteuert, so auch am Montag wieder: Er habe „weder wissentlich noch willentlich an strafbaren Cum-ex-Geschäften“ mitgewirkt. „Es lag mir fern, den Staat zu schädigen“, beteuerte Olearius im Gerichtssaal. Die Anschuldigungen des Kronzeugen Steck hätten sich als Lügen erwiesen. Den Ausgang des Verfahrens beeinflusste Olearius damit aber wohl nicht mehr.

Olearius bleibt vorerst Millionenzahlung erspart

Vorerst erspart bleibt ihm, an den Staat 43 Millionen Euro als Taterträge zahlen zu müssen. Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, ein sogenanntes Einziehungsverfahren überzuleiten und dadurch gewissermaßen vom Strafverfahren abzukoppeln. Das hatte das Gericht aber schon in der vergangenen Woche abgelehnt. Es verwies darauf, dass die Ankläger hierzu bislang nicht fertig ermittelt hätten. Dies könne die Staatsanwaltschaft später noch tun und dann ein separates Einziehungsverfahren anstrengen. Hierbei gehe es ums Geld und nicht um die Schuldfrage. Olearius müsste nicht mehr vor Gericht erscheinen. Nach eigener Aussage hat dieser im Jahr 2020 gemeinsam mit Mitgesellschafter Max Warburg wegen der Cum-ex-Geschäfte schon 230 Millionen Euro gezahlt.

Die Anklage hatte Olearius 15 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung vorgeworfen, bei denen ein Steuerschaden von knapp 280 Millionen Euro entstanden sein soll. Am Montag sprach Olearius von „legalem Dividendenstripping“, das seine Bank betrieben habe. Die Taten sollen im Kern von 2006 bis 2011 geschehen sein. Das war die Hochphase des Cum-ex-Geschäftsmodells, bei dem Finanzakteure Aktien ge- und verkauft hatten, die sie gar nicht besaßen, und sich Steuern erstatten ließen, die sie gar nicht gezahlt hatten. Dem Staat entstand dadurch ein Schaden in zweistelliger Milliarden-Euro-Höhe. Im Zusammenhang mit Cum-ex hat es am Bonner Landgericht seit 2020 acht Schuldsprüche gegeben, eine Vielzahl Verfahren, etwa gegen öffentlich-rechtliche Landesbanken, dürften in den kommenden Jahren noch folgen.

Der Fall schlug auch in der Politik hohe Wellen

Olearius ist einer der bekanntesten Akteure. Seit Längerem muss er wegen der Vorwürfe auf Drängen der Finanzaufsicht Bafin seine Anteile an der Warburg-Bank von einem Treuhänder verwalten lassen. Er sprach am Montag im Gerichtssaal davon, von der Bafin „praktisch enteignet“ worden zu sein. Tatsächlich könnte Olearius seine Anteile aber verkaufen und zeigte sich zuletzt dafür auch offen, ist doch auch sein Sohn Joachim von der Bafin dem Vernehmen nach nicht erwünscht.

Der Fall Olearius schlug auch in der Politik hohe Wellen. Denn aus Tagebucheinträgen, die offenbar aus der Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft Köln ans Tageslicht kamen, geht hervor, dass er sich 2016 und 2017 insgesamt dreimal mit dem amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte, als dieser noch Erster Bürgermeister von Hamburg gewesen war. Der genaue Inhalt der Treffen ist unklar. Bemerkenswerterweise ließ die Finanzbehörde aber anschließend eine Steuerforderung fallen, und die Ansprüche verjährten daraufhin nach damaliger Rechtslage.

Dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den Scholz-Olearius-Treffen und der Behördenentscheidung bestand, ist nicht erwiesen. Scholz schließt eine politische Einflussnahme aus, beruft sich hinsichtlich des genauen Inhalts der Gespräche aber auf Erinnerungslücken.

Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete und jetzige Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, Gerhard Schick, sagte, es sei kein Skandal, dass das Verfahren gegen Olearius mit einem Einstellungsurteil ende. „Es gibt für solche Fälle rechtsstaatliche Regeln, die für alle gelten, auch für Olearius – und das ist auch richtig so.“ Der eigentliche Skandal sei vielmehr, dass es zu dem Strafverfahren fast nicht gekommen wäre, weil Olearius gute Beziehungen zu Regierung und Justiz in Hamburg gepflegt habe. „Wenn die Staatsanwaltschaft in Köln nicht hartnäckig geblieben wäre, hätte man Olearius vielleicht nie angeklagt“, sagte Schick.

Olearius indes warf am Montag Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker vor, die Kronzeugenaussagen „nie überprüft“ zu haben. Im April 2024 wurde bekannt, dass Brorhilker aus dem Staatsdienst ausscheidet und ausgerechnet Geschäftsführerin bei Finanzwende wird.



Author: RoteRuhrarmee1920

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