Rückwind von Ehefrau Jill und den Kindern: Die Familie von Joe Biden hat den US-Präsidenten zum Durchhalten im Wahlkampf gegen seinen wahrscheinlichen Herausforderer Donald Trump ermuntert.
Seine Angehörigen hätten dem Demokraten bei einem Familientreffen in Camp David – dem Landsitz des US-Präsidenten nahe Washington – ihre „uneingeschränkte Unterstützung“ angeboten, berichtete der Sender CNN und beruft sich dabei auf zwei nicht namentlich genannte Berater Bidens. Auch die „New York Times“ schrieb unter Berufung auf Bidens Umfeld, seine Familie plädiere dafür, dass der Demokrat trotz seines viel kritisierten Auftritts beim TV-Duell gegen den Republikaner Trump nicht aufgibt.
Einige Verwandte kritisierten laut Insiderinformationen zudem, wie Biden auf das TV-Duell vorbereitet worden sei. „Politico“ berichtete, dass sich Bidens Familie über die engsten Mitarbeiter des Demokraten regelrecht echauffiert habe. Diese trügen die Schuld am Misserfolg des Präsidenten bei der Debatte, hieß es unter Verweis aus Quellen aus dem Umfeld der Familie.
Biden sei nicht bereit gewesen, Trump mehr anzugreifen und habe sich zu sehr darauf versteift, seine Bilanz zu verteidigen, anstatt eine Vision für eine zweite Amtszeit zu skizzieren. Außerdem sei er überarbeitet gewesen, soll die Familie kritisiert haben. Ein ranghoher Mitarbeiter Bidens wies „Politico“ zufolge jedoch offiziell zurück, dass sich die Wut der Angehörigen gegen bestimmte Mitarbeiter richte.
Foto-Session mit Annie Leibovitz geplant
Biden verbrachte den Tag mit seiner Ehefrau Jill Biden, seinen Kindern und Enkelkindern. Es handelte sich um eine lange geplante Reise zum Präsidentensitz im US-Staat Maryland, wo die Fotografin Annie Leibovitz den Präsidenten für den bevorstehenden Parteitag der Demokraten porträtieren wollte.
Gleichzeitig sollte die Gelegenheit genutzt werden, um nach dem Debattendebakel gemeinsam zu überlegen, wie mit der Kritik aus den Reihen der Demokratischen Partei umgegangen werden soll.
Seine Familie sei sich zwar bewusst, wie schlecht Biden gegen Trump abgeschnitten habe, halte ihn aber weiterhin für die beste Person, um den Republikaner zu schlagen, sagten auch vier weitere Gewährspersonen aus dem Umfeld des US-Präsidenten laut US-Medienberichten. Sie glaubten, dass er in der Lage sei, das Amt des Präsidenten für weitere vier Jahre auszuüben. Besonders Jill Biden und Sohn Hunter seien der Meinung, dass der Präsident nicht aufgeben sollte.
Zweifel an Bidens Eignung für eine zweite Amtszeit wegen seines hohen Alters gibt es seit Langem. Sollte er die Wahl im November gewinnen, wäre er bei Vereidigung im neuen Jahr 82 Jahre alt.
Einzelne Abgeordnete sprechen Biden öffentlich Mut zu
Biden hatte in der TV-Debatte unsicher gewirkt, schweifte ab und gab bisweilen verworrene Antworten, teils starrte er mit offenem Mund ins Leere und konnte häufig seine Sätze nicht richtig beenden. Sein Wahlkampfteam verbrachte die vergangenen Tage damit, Spender und andere Unterstützter bei der Stange zu halten, während in der Partei zunehmend in Frage gestellt wird, ob Biden im Rennen bleiben sollte. Zum jetzigen Zeitpunkt des Delegiertenverfahrens müsste Biden wahrscheinlich aufgeben, damit ein neuer Kandidat aufgestellt werden kann.
Prominente demokratische Politiker bekundeten am Sonntag öffentlich ihre Unterstützung für den Präsidenten. „Ich glaube nicht, dass Joe Biden ein Problem damit hat, die nächsten vier Jahre (das Land) zu führen“, sagte ein enger Verbündeter, der demokratische Abgeordnete James Clyburn aus South Carolina. „Joe Biden sollte weiterhin auf der Grundlage seiner Erfahrungen kandidieren.“
Senator Raphael Warnock, Demokrat und Baptistenprediger aus Georgia, sagte, er habe sich mehr als einmal gewünscht, an einem Sonntag eine bessere Predigt gehalten zu haben. „Aber nachdem die Predigt vorbei war, war es meine Aufgabe, die Botschaft zu verkörpern und für die Menschen da zu sein, denen ich diene. Und das ist es, was Joe Biden sein ganzes Leben lang getan hat“, sagte Warnock.
Wird eine „ernste Lage“ ignoriert?
Einige Demokraten waren jedoch besorgt, dass Bidens Wahlkampfteam und die Partei die Auswirkungen der Debatte nicht ernst genug nahmen. Der ehemalige Senator von Iowa, Tom Harkin, der mehr als zwei Jahrzehnte lang mit Biden im Senat zusammenarbeitete, nannte die Debatte ein Desaster, von dem sich Biden nicht erholen könne.
Harkin schlug vor, dass demokratische Senatoren einen Brief an Biden schreiben und ihn bitten sollten, seine Kandidatur aufzugeben, wie er in einer E-Mail an Unterstützer schrieb, die der Nachrichtenagentur AP vorlag. Der Brief wurde erstmals in einer Kolumne der Journalistin Julie Gammack aus Iowa erwähnt. Harkin schrieb darin, das Land erlebe eine gefährliche Zeit. Dies sei wichtiger als das Ego oder die Wünsche von Joe Biden, Präsident zu bleiben.
In einer Telefonkonferenz mit einflussreichen Parteimitgliedern zeigten sich der Parteivorsitzende Jaime Harrison und Bidens Wahlkampfmanagerin Julie Chavez Rodriguez jedoch optimistisch für die Zukunft. Die anderen Teilnehmer bekamen keine Gelegenheit, Fragen zu stellen. Mehrere Teilnehmer beschrieben, dass sie das Gefühl hatten, sie würden gebeten, eine ernste Lage zu ignorieren.