AfD-Parteitag: Warum E.ons Regenbogenfahnen ihr Ziel verfehlen


Lichtinstallationen auf Glasfassaden mit dem ersten Artikel des Grundgesetzes, Regenbogenfahnen vor der Grugahalle, ein klares Bekenntnis zu „Offenheit, Vielfalt und Toleranz“: Es hört sich erst mal richtig an, was der Essener Energiekonzern E.on als Reaktion auf den Bundesparteitag der AfD am Wochenende in der nordrhein-westfälischen Großstadt plant. Die Partei wird vom Verfassungsschutz als in Teilen rechtsextrem eingestuft, der Thüringer Landeschef Björn Höcke ist gerade wegen der Verwendung einer verbotenen NS-Parole zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Und trotzdem zeigte sich bei der Europawahl, dass diese Tatsachen die Menschen offenbar nicht mehr davon abhalten, die AfD zu wählen. Der Schreck der etablierten Parteien darüber war umso größer, als sich vor allem die jungen Wähler in Scharen von der grünen Partei ab- und der AfD zuwendeten. Für die bevorstehenden Landtagswahlen im Osten lässt das vor allem aus Sicht der Ampelkoalition wenig Gutes erwarten.

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Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender von Evonik

E.on steht mit seinem gesellschaftlichen Engagement, das offensichtlich darauf ausgerichtet ist, Menschen davon abzuhalten, ihr Kreuz bei der AfD zu machen, am Wochenende nicht allein. Christian Kullmann etwa, Vorstandsvorsitzender der börsennotierten Evonik Industries, will an einem moderierten Gespräch unter dem Motto „Gesicht zeigen – gegen Hass und Hetze“ teilnehmen und darin auf die Folgen einer nationalistischen Politik, wie er sie von der AfD erwartet, hinweisen.

Evonik ist das drittgrößte deutsche Chemie-Unternehmen und zu 47 Prozent im Besitz der RAG-Stiftung, die die Folgekosten des deutschen Steinkohlebergbaus deckt. In deren Kuratorium sitzen unter anderem NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Ex-Justizminister Heiko Maas (SPD).

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Dritter im Bunde im Essener Wertekampf ist der örtliche Nahverkehrs-Dienstleister Ruhrbahn GmbH. Dieser hat die Haltestelle „Messe Ost/Gruga“ kurzfristig in „#Vielfalt“ umbenannt – was einen den Fotos nach nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordert haben dürfte. „Wir sind bunt unterwegs und stehen für Vielfalt und Respekt“, heißt es dazu auf X, dem früheren Twitter.

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Und nun? Die Kollegen in den Marketing-Abteilungen aller drei Unternehmen dürften, mutmaßlich beseelt von sich selbst, in bester Stimmung sein. Die Eigenwerbung in Sachen Werte ist ein kostenloser PR-Coup, es gibt berechtigte Hoffnung auf ausführliche Erwähnung in der Hauptausgabe der „Tagesschau“ – und das alles auch noch für die „gute Sache“. Die unbequemen Fragen, die sich aufdrängen, sind freilich: Wird sich auch nur ein Wähler von den Aktionen umstimmen lassen? Oder treiben sie die Menschen sogar erst recht in die Arme der AfD?

Bei E.on, Evonik und Ruhrbahn könnte man wissen, was der seit Jahresbeginn nochmals verstärkt geführte „Kampf gegen Rechts“ seitens der etablierten Politik und auch zahlreicher Medien am Zulauf zur AfD geändert hat: In Summe praktisch nichts. Vielleicht weiß man es auch – und hat sich trotzdem für den gratismutigen und bequemen Weg entschieden, mit mittlerweile entkernten Begrifflichkeiten vor allem für das eigene Gutsein zu werben.

„Was die Grüne Jugend vorhat, ist eine Straftat“

Die Grüne Jugend will den Parteitag der AfD in Essen am kommenden Wochenende abwenden. Doch die Rechtslage sei eindeutig: Die Partei habe die gleichen Rechte wie alle anderen, sagt Staats- und Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler bei WELT TV.

Quelle: WELT TV / Marcus Tychsen

Die Unternehmen müssen sich deshalb fragen lassen, worum es ihnen mit ihrem Engagement wirklich geht. Wäre es ihr ehrliches Ziel, die AfD so schnell wie möglich in allen Parlamenten unter die Fünf-Prozent-Hürde zu drücken, gäbe es für sie nur einen richtigen Weg: Kritik an den Mächtigen.

Denn so gut wie alles deutet darauf hin, dass es die Realpolitik der Ampelkoalition ist, die die Menschen in Scharen in die Arme der AfD treibt. Dazu zählen etwa die Kosten und Folgen der seit 2015 weitgehend unkontrollierten Migration mit ihren mittlerweile schwerwiegenden Auswirkungen auf die innere Sicherheit. Ebenso der mangelnde politische Wille, grundlegende Veränderungen daran herbeizuführen.

Oder eine auf grüner Ideologie aufgebaute Energiepolitik, deren drastische Konsequenzen immer mehr Menschen klar werden und die sich zunehmend nur mühevoll kaschieren lassen. Dann Klimaschutzmaßnahmen, die teuer sind, Vermögenswerte vernichten und im globalen Maßstab quasi wirkungslos sind.

Wo bleibt das Einstehen für jüdisches Leben in Deutschland?

Dazu das Bürgergeld, das in seiner jetzigen Ausgestaltung keinen Anreiz zur Arbeitsaufnahme mehr bietet – und dessen Kosten zusätzlich von jenen zu tragen sind, die eh schon das gesamte System am Laufen halten. Und im Kleinen sind es sicher auch Kabinettsmitglieder ohne jegliches Feingefühl dafür, dass es ein verheerendes Signal ist, sich in der aktuellen wirtschaftlichen Lage Visagisten, Friseure und Fotografen vom Steuerzahler finanzieren zu lassen.

Wenn E.on „Flagge für Europa, Freiheit, Menschenwürde und Demokratie“ zeigt und Regenbogenfahnen aufhängt, wenn die Ruhrbahn für „Respekt und Vielfalt“ wirbt – wo bleibt dann angesichts der jüngsten Entwicklungen das Einstehen für jüdisches Leben in Deutschland? Wo die Kritik an der Einwanderung Hunderttausender aus Regionen, in denen Homophobie dominiert und sich religiöse, territoriale und/oder politische Motive zu einem antisemitischen Weltbild verdichten, das dieses Leben zusätzlich erschwert bis unmöglich macht?

Warum verleihen die CEOs von E.on und Evonik ihrer Kritik an den hohen Energiepreisen nicht nochmals Nachdruck, zeigen auf, was das in aller Konsequenz für den Wirtschaftsstandort bedeutet – und benennen, wer dafür verantwortlich ist? Warum wird von „unternehmerischer Freiheit“ gesprochen und nicht im gleichen Atemzug kritisiert, dass der Abbau von Verwaltungsauflagen nicht nur nicht vorangeht, sondern sogar neue Bürokratiemonster wie die europäische ESG-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden?

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Die Wirtschaft ist wichtiger Teil des bundesrepublikanischen Gemeinwesens. Sie sollte nicht nur ein Interesse daran haben, dass „der Laden läuft“ – sie hat auch eine Verantwortung dafür. Dazu gehört, Fehlentwicklungen, die den Standort schädigen und die gesellschaftliche Stabilität gefährden, zu benennen und eine Kurskorrektur anzumahnen. Das erfordert Haltung, und zwar echte – sowie Augenmaß.

Man muss dazu nicht gleich lospoltern wie Theodor Weimer, der Noch-CEO des Dax-Konzerns Deutsche Börse. Er hat der Sache der Wirtschaft, die Regierung angemessen zu kritisieren, mit seiner jüngsten Wutrede einen Bärendienst erwiesen. Aber wer die AfD wieder aus den Parlamenten haben möchte, der muss auch den Mut haben, in aller Sachlichkeit die Probleme zu benennen, die zu ihrem Erstarken geführt haben.



Author: RoteRuhrarmee1920

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