28 Polizisten auf Demonstrationen gegen AfD-Parteitag verletzt – Angreifer entkommen unerkannt
Bei den Demonstrationen gegen den AfD-Parteitag in Essen sind 28 Polizisten verletzt worden. Einer davon schwer. Etwa 200 Angreifer sollen Beamte angegriffen haben, die Delegierte zur Grugahalle geleiten wollten. Die Polizei berichtet von mehreren Festnahmen.
Am Rande des AfD-Bundesparteitags in Essen sind bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gegendemonstranten 28 Polizisten verletzt worden, einer von ihnen schwer. Dies teilte die Polizei Essen am Samstagabend mit. Immer wieder hätten größere Personengruppen mit zum Teil mehreren Hundert Personen durch gewaltsame Störaktionen versucht, die Delegierten an der Teilnahme zu hindern oder Sperrstellen zu durchbrechen. „Im Rahmen dieser gewalttätigen Aktionen mussten unsere Kolleginnen und Kollegen wiederholt Gebrauch vom Schlagstock und Reizgas machen“, erklärte die Polizei.
In einem Fall hätten Polizisten einen Delegierten zur Grugahalle geleitet. Dabei seien sie von etwa 200 Personen attackiert worden. Ein Polizist erlitt dabei schwere Verletzungen. Ursprünglich war die Rede von zwei Schwerverletzten gewesen – die Verletzungen einer Beamtin stellten sich im Krankenhaus aber als nicht so schwer heraus wie ursprünglich angenommen. „Noch am Boden liegend wurden die Beamten mit Tritten traktiert“, war in einer früheren Meldung gemeldet worden. Die Täter entkamen in der Menschenmenge. Die Polizei werte nun Videoaufnahmen von dem Vorfall aus und bitte um Zeugenhinweise.
Gewalt habe Parteitag „verdorben“, sagt Chrupalla
Alice Weidel und Tino Chrupalla haben sich schockiert über die tätlichen Angriffe auf Polizisten gezeigt. Die Gewalt bei den Demonstrationen gegen die AfD habe den Parteitag „verdorben“, sagte Chrupalla am Samstag am Rande des Parteitags. Weidel nannte die Vorfälle „skandalös“. „Ich glaube, dass wir insgesamt abrüsten sollten mit der gesamten Rhetorik“, sagte Weidel auch in Richtung der Medien.
Aktivisten blockieren Straßen und Kreuzungen
Die Initiative Widersetzen hatte dazu aufgerufen, den AfD-Delegierten mit Sitzblockaden den Weg zum Parteitag zu versperren. Mehrere Stunden blockierten die Aktivisten Straßen und Kreuzungen. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Einige Aktivisten wurden zeitweise eingekesselt. Es gab laut Polizei mehrere Festnahmen.
In Sprechchören bezeichneten Aktivisten die Einsatzkräfte etwa als „Schlägertrupp der AfD“. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zeigte sich entsetzt. „Wenn ich höre, dass einige Demonstranten unsere Einsatzkräfte dann als ‚Nazipolizisten‘ oder anderweitig beschimpfen, werde ich wirklich wütend“, sagte er.
Der Polizei sorgte mit mehreren Tausend Beamten dafür, dass die wichtigsten Zufahrten zur Grugahalle frei blieben. An einer Kreuzung habe eine Personengruppe versucht, eine Polizeiabsperrung zu überwinden, teilten die Einsatzkräfte mit. Kräfte einer Hundertschaft hätten dies mit Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken unterbunden. Mehrere Rettungswagen seien angefordert worden, sagte ein Polizeisprecher. Mehrere Vertreter der Aktivisten kritisierten die Polizei für ein zu hartes Vorgehen.
In einer Einkaufsstraße in der Nähe der Grugahalle belagerten Demonstranten eine Bäckerei, in der sich AfD-Politiker aufhielten. Kräfte einer Einsatzhundertschaft hätten die Politiker herausgeführt, sagte ein Polizeisprecher. Die Situation sei angespannt gewesen.
Linksextremisten drohen mit Gewalt
Der Parteitag begann schließlich mit rund einer halben Stunde Verspätung. Die Initiative Widersetzen wertete das als einen Erfolg ihrer Blockaden. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel übte heftige Kritik an den Protesten. „Das, was sich da draußen abspielt, hat mit Demokratie nichts zu tun“, sagte sie zum Beginn des Parteitags.
Aus Sorge vor einer Störung des Parteitags sicherte die Polizei die Grugahalle zu allen Seiten mit massiven Kräften ab. An den zentralen Zugängen waren Wasserwerfer postiert. Linksextremisten hatten zuvor mit gewaltsamen Aktionen gegen die AfD-Veranstaltung gedroht. Schon am Freitagabend waren zahlreiche AfD-Delegierte wie die stellvertretende AfD-Fraktionschefin Beatrix von Storch von Demonstranten mit lauten Sprechchören am Hauptbahnhof empfangen worden.
Teilnehmerzahl bleibt hinter Erwartungen zurück
Am späten Vormittag begannen dann die Proteste des gemäßigten Lagers. Der zentrale Demonstrationszug durch die Stadt erstreckte sich über mehrere Kilometer. Viele Teilnehmer hatten Plakate gebastelt, demonstrierten gegen Intoleranz und Rechtsextremismus. Die Organisatoren der Initiative Gemeinsam Laut sprachen von 50.000 Teilnehmern. Die Polizei nannte zunächst keine eigenen Schätzungen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) begrüßte den Protest. „Die vielen Tausenden Demonstranten in Essen zeigen: In Nordrhein-Westfalen ist kein Platz für Hetze, Hass und Rechtsextremismus“, sagte er.
Bei einer zentralen Versammlung, die die Stadt Essen am Nachmittag auf dem riesigen Messeparkplatz P2 organisiert hatte, blieben die Teilnehmerzahlen aber deutlich hinter den Erwartungen zurück. Von „kumuliert 25.000 Teilnehmern“ sprach eine Stadtsprecherin – allerdings waren die allermeisten davon nur kurz nach dem Ende des Demozugs dort geblieben und hatten noch vor Beginn des Bühnenprogramms den Heimweg angetreten.
Parteitag vorzeitig beendet
Am Abend hat die AfD die Veranstaltung früher als geplant beendet und sich auf Sonntag vertagt. Kurz nach 19 Uhr beantragte ein Delegierter die Unterbrechung bis Sonntag 10.00 Uhr. Man habe viel an diesem Tag geschafft, „und wir können gleich alle Fußball gucken“, begründete er seinen Antrag unter dem Beifall vieler Delegierter. Deutschland spielt an diesem Abend im Achtelfinale der Fußball-Europameisterschaft gegen Dänemark. Bei einer elektronischen Abstimmung stimmten knapp 54 Prozent dafür, 46 Prozent dagegen.
Der AfD-Bundesparteitag in der Essener Grugahalle läuft noch bis zu diesem Sonntag. Am Sonntagmorgen werden allerdings keine massiven Proteste mehr erwartet – lediglich eine Mahnwache ist angemeldet.
Die Stadt Essen hatte monatelang nach Möglichkeiten gesucht, den AfD-Parteitag noch zu verhindern – war damit aber letztlich vor Gericht gescheitert.