AfD-Parteitag: Die AfD regiert indirekt längst mit


“Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‘Ich
bin der Faschismus'”, hat AfD-Bundessprecherin Alice Weidel zum Auftakt des
Essener Parteitags am Samstag den italienischen Schriftsteller Ignazio Silone
zitiert. “Er wird sagen: ‘Ich bin der Antifaschismus.'” Weidel bezog sich,
natürlich, auf die Zehntausenden von Demonstranten draußen vor der Grugahalle.
Darunter waren Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kirchenvertreter oder auch der
CDU-Bürgermeister, die friedlich Reden hielten, Transparente trugen und Lieder
sangen (“Scheiße ist blau”). Es waren aber auch Pulks von Aktivisten dabei,
die sich aufspielten wie Bürgerwehren. AfD-Delegierte wurden gejagt, umzingelt
und mussten Spießruten laufen. Von Journalisten wurde in herrisch-drohendem Ton
verlangt, sich auszuweisen, bei Zuwiderhandlung wurden auch sie angegriffen,
fünf Mann stürzten sich auf eine 1,60 Meter große Kollegin vom Deutschlandfunk
– all das schweißte einen auf unangenehme Weise mit den gehetzten Delegierten
zusammen. Zwei Polizisten, die im Handgemenge zu Boden gegangen waren, wurden
von Aktivisten durch Tritte gegen den Kopf so verletzt, dass sie
auf Intensivstationen behandelt werden mussten.

Der teils aggressiven Ratlosigkeit draußen stand eine
gelassene Selbstgewissheit in der Halle gegenüber. Der von Medien erwartete
Eklat blieb aus. Man sieht sich auf der Siegerstraße. Kräftiger
Mitgliederzuwachs (22.000 in anderthalb Jahren), sprudelnde Finanzen, (darunter
fast die Hälfte staatliche Parteizuschüsse), allenthalben strahlende
Aussichten: “Im Osten”, so verkündete Co-Sprecher Tino Chrupalla, “muss für uns
die Sonne der Regierungsbeteiligung aufgehen.”

Weidel, die ihre Stimme binnen Nanosekunden modulieren kann
von schneidig-drohend zu tränennah, hat mit dem Faschismus-Zitat auch unausgesprochen
die eigene Strategie beschrieben. “Ich lasse mich nicht ‘Nazi’ nennen”, hatte
sie in die Halle gerufen, zu etwas zögerndem Applaus. Gänzlich still blieb die
Halle, als Weidel erklärte, hier sei jeder willkommen, der arbeiten wolle.

Immer wieder fallen Drohungen

Es ist die Strategie, die ihre französische
Gesinnungsgenossin und ihr explizites Vorbild Marine Le Pen “Entdiabolisierung”
nennt – und die der extremen Rechten in Frankreich womöglich noch an diesem
Sonntag zu immer neuen Höhen verhelfen wird. Man lässt sich nicht “Nazi” nennen, man
vermeidet explizite NS-Elogen, man exkulpiert nicht die SS in Interviews mit
italienischen Zeitungen, wie es der EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah getan
hatte. Man schlägt Krah aber auch nicht die Tür vor der Nase zu, setzt ihn, ohne
seinen Namen zu nennen, nur rhetorisch auf die “Ersatzbank”, mahnt
“Professionalisierung” und “Teamplay” an – alte und neue Rechte bleiben also
beieinander, auch wenn sie nicht immer miteinander gesehen werden wollen.

Gleichzeitig redet man die politischen Gegenspieler, das
“System”, die “ganze woke Hippieregierung” so in Schutt und Asche, dass der
Effekt eben auch vernichtend ist. Immer wieder mal fällt eine Drohung. Wenn der
Tag gekommen sei, so sind manche Äußerungen zu verstehen, werde man zur
Rechenschaft ziehen. Lauterbach, von der Leyen, Baerbock, Scholz – wenn ihre
Namen fallen, johlt die Halle grollend.



Author: RoteRuhrarmee1920

Kommentar verfassen