80 Menschen wegen instabilem Stollen in Essen evakuiert


Stand: 22.06.2024 13:10 Uhr

Etwa 80 Menschen mussten in der Nacht ihre Wohnungen in Essen verlassen. Unter ihren Häusern war ein instabiler Bergbaustollen entdeckt worden. Wann sie zurückkehren können, ist noch vollkommen offen.

Als die Nachricht kam, dass die Häuser einsturzgefährdet sein könnten, musste es schnell gehen. Mitten in der Nacht mussten die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Häuser in Essen-Freisenbruch packen und dann ihre Taschen und Tüten aus dem Haus tragen. Sie brachten sie zu Autos und bereitgestellten Linienbussen. In den Taschen: nur das Nötigste.

15 Minuten habe sie gehabt, um ihre Sachen zu packen, sagt eine Anwohnerin. Ein Gutachten hatte kurz zuvor ergeben, dass die beiden achtgeschossigen Häuser nicht mehr vollständig standsicher seien. Deshalb mussten die Bewohner mitten in der Nacht ihre Häuser verlassen.

Unter dem mehrgeschossigen Gebäude im Stadtteil Freisenbruch liegt der Zugang zu einem mehr als 100 Jahre alten Belüftungsschacht (auch Wetterschacht genannt) aus der Bergbauzeit, wie eine Stadtsprecherin erklärte. Die Bergbaubehörde habe dort in der vergangenen Woche Sondierungsbohrungen vorgenommen.

Dabei sei der Hohlraum aufgefallen, sagte ein Sprecher der Feuerwehr Essen. Experten der Bauaufsicht hätten daraufhin nach gründlicher Prüfung am Freitagabend die Räumung des Hauses angeordnet.

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Einige Bewohner wollten das Haus nicht verlassen

Der Feuerwehreinsatz begann gegen 22 Uhr und endete gegen 3 Uhr am Samstag in der Früh. In den betroffenen Häusern leben auch viele ältere Menschen. Für sie sei es absolut unerfreulich gewesen, am späten Abend ohne Vorwarnung und womöglich für längere Zeit ihre Wohnung verlassen zu müssen, sagte die Stadtsprecherin. Die Evakuierung sei insgesamt ruhig verlaufen, aber einige Bewohner hätten ihre Wohnungen zunächst nicht verlassen wollen. 

Die Stadt Essen stellte für die Betroffenen Notunterkünfte bereit: 33 Betroffene wurden laut Stadt in einem Hotel untergebracht, das auch für Geflüchtete genutzt wird. Einige pflegebedürftige Bewohner seien vorübergehend in Krankenhäuser gekommen. Die Mehrzahl sei privat bei Freunden und Verwandten untergekommen.

Die Feuerwehr geht davon aus, dass die Menschen für Wochen nicht in ihre Wohnungen zurückkehren können. Eine Spezialfirma soll den Stollen jetzt mit Beton verfüllen.

Für eine ältere Bewohnerin des Hauses kam der Vorfall nicht überraschend. “Hier waren früher die Zechen. Die Stollen sind noch da. Ist ja klar, dass so etwas mal passieren musste”, sagte sie, nachdem sie ihre Sachen aus dem Haus getragen hatte.

Spätfolgen des Bergbaus

Im Ruhrgebiet durchziehen mehrere 1.000 Kilometer Schächte und Stollen die Erde. Immer wieder kommt es dabei zu Tagesbrüchen. Das sind Bergschäden, die sich an der Erdoberfläche zeigen. In Erinnerung ist manchen etwa das Loch von Bochum-Wattenscheid. Im Jahr 2000 bildete sich damals in einem Wohngebiet ein 500 Quadratmeter großer Krater, zwei Garagen versanken damals darin.

Der aktive Steinkohlenbergbau war in Deutschland 2018 nach über 200 Jahren zu Ende gegangen. Auch lange danach bekommt das einstige Betreiberunternehmen RAG weiterhin Tausende Meldungen über Bergschäden an Gebäuden als Folge des Kohleabbaus und der Hohlräume in großer Tiefe. 

Grundschulgebäude angehoben in Bottrop-Kirchhellen

Bergschäden werden von der RAG finanziell reguliert und von Fachunternehmen repariert. So wurde beispielsweise 2014 im Zuge der Regulierung ein abgesacktes und in Schieflage geratenes Grundschulgebäude in Bottrop-Kirchhellen hydraulisch um fast einen Meter angehoben. Ansprüche auf Ersatz des Bergschadens verjähren innerhalb von drei Jahren nach dem Bekanntwerden. 

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Unsere Quellen

  • Feuerwehr Essen
  • WDR-Archiv
  • ANC News
  • Nachrichtenagentur dpa



Author: RoteRuhrarmee1920

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